Wer an der Uni Bremen studiert, hat vielleicht vereinzelt das Gerücht gehört, dass dort an den Gehirnen von Affen Versuche durchgeführt werden. In den letzten Jahren, aber vor allem seit September, gab es immer wieder digitale Aufrufe und Demonstrationen in Bremen gegen diese Tierversuche. Vom 09.-15.11.21 gab es sogar örtliche Plakataktionen vom Tierschutzverband. Wieso rede ich hier dann von „Gerüchten“? Ganz einfach: Wenn eine Person mir davon erzählte, handelten diese selten von Fakten oder bestimmten Untersuchungen, sondern lediglich davon, dass irgendwo an der Uni, fast schon mittelalter-kerkerartig im Geheimen an Menschenaffen geforscht wird. Danach seien sie komplett verstört oder schlimmer. Hier muss ich aber hinzufügen, dass das nie Menschen aus dem Fachbereich waren. Und ganz ehrlich… so wenig wie ich bei Neurobiologie weiß, woran sie forschen, weiß ich es vom Bereich Informatik oder Sport. Womöglich geht es den meisten so. Meist weiß man dies nicht einmal genau beim eigenen Fachbereich. Und so ist es ein Leichtes ein Gerücht zu streuen. Doch was genau ist nun dran an diesen Erzählungen?
Fakt ist: Ja, an der Universität Bremen gibt es Forschungen, die an diversen Tieren durchgeführt werden. Dies geschieht dabei weder im Geheimen noch in irgendwelchen dunklen kerkerartigen Räumen. Für diese Forschungen ist der Fachbereich der Biologie zuständig. Vor allem Professor Andreas Kreiter taucht hierbei stellvertretend für die forschenden Wissenschaftler: innen in Artikeln und Videobeiträgen auf. Geforscht wird an Mäuse, Ratten, Frösche und um Rhesusaffen (Makaken). Neuerdings möchte auch die Universität gegen diese Gerüchte arbeiten und hat die Seite „Tierversuche in Forschung und Lehre“ ins Leben gerufen, um über diese Arbeit transparent zu informieren. Die vergangenen Demonstrationen richtet sich dabei hauptsächlich gegen die Affenforschungen. Laut Wissenschaftler:innen ist das Gehirn der Rhesusaffen dem menschlichen Gehirn vor allem im kognitiven Prozesse ähnlich, teils identisch. Hierdurch sind eben jene Lebewesen ideal für die Grundlagenforschung des Gehirns. Durch Erkenntnisse wie das Gehirn funktioniert, wie bestimmte Abläufe entstehen und was wiederum etwas verhindern kann, können Wissenschaftler:innen im nächsten Schritt neue und lebenswichtige Ergebnisse in der Medizin erzielen, wie beispielsweise Epilepsie, Parkinson, Lähmung und Demenz. Ebenso können neue Medikamente entwickelt werden. Bevor an den Affen geforscht wird, erfolgen jahrelange theoretische Abläufe am Institut. Erst wenn sicher ist, dass nur Tierversuche die Forschung weiterbringen und es keine Alternative gibt, wird der Antrag gestellt. Verschiedene Kommissionen prüfen anschließend, ob es keine Alternativen gibt, ein Mehrwert für die Wissenschaft besteht, das Tierwohl weiterhin geschützt ist und der Vorgang etisch vertretbar ist. Im Bremer Fall müssen alle 3 Jahre diese Entscheidungen und Anträge neu durchlaufen werden. Der aktuelle Antrag lief bis zum 30.11.21 und eine Entscheidung durch die Gesundheitssenatorin steht noch aus. Um die Forschung nicht zu unterbrechen, entschied das Verwaltungsgericht Bremen im Eilverfahren, dass der Bremer Senat vorerst die Versuche weiter dulden muss, bis eine endgültige Entscheidung gefallen ist. Die Forschung besteht nun seit mehr als 20 Jahren und wird von der Deutschen Forschungsgemeinde, sowie der Europäischen Union gefördert.
© Universität Bremen
Wie auf dem Bild zu sehen, leben die Affen in Gehegen am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen. Sie leben in Gruppen und werden von Forschenden, Tierpfleger:innen und Tierärzt:innen betreut und beobachtet. Dabei wird auf eine möglichst artgerechte Haltung der Tiere geachtet. Denn natürlich ist ein Gehege etwas anderes als ein Dschungel. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass in Deutschland keine Tiere aus freier Wildbahn für Versuche genutzt werden dürfen. Alle Tiere werden eigens für die Versuche gezüchtet. Dennoch versuchen die Mitarbeitenden regelmäßig mit wechselnden Spielgeräten und einer Veränderung der Gehege für Abwechslung zu sorgen. Das Wohlergehen der Tiere am Bremer Institut hat für alle einen hohen Stellenwert, denn sobald es den Tieren nicht gut geht, sind auch die Ergebnisse verfälscht. Gleichermaßen ist es für die Forschenden wichtig, dass die Tiere gesund sind. Verändert sich der Gesundheitsstand eines Tieres und benötigt Medikamente, können die erhobenen Daten nicht mehr publiziert werden. Und gerade dieses publizieren ist essenziell, denn die hier erhobenen Daten dienen eben als Grundlage für weitere Forschungen. Erst wenn die Normalfunktion eines gesunden Gehirns ergründet wurde, können die Fehlfunktionen der genannten Erkrankungen weiter erforscht werden.
Dabei sitzen die Affen mehrere Stunden wöchentlich vor einem Bildschirm. Mit Mikroelektroden sind sie verkabelt und dadurch mit unterschiedlichen Geräten verbunden. Auf dem Bildschirm ist ein mittiger Punkt, sowie ein Dreieck links und rechts zu sehen. Fällt einer der Dreiecke um, lässt der Affe den Schalter in seiner „Hand“ auf der entsprechenden Seite los. Als Belohnung erhält er durch einen Schlauch Orangensaft. Durch diesen Ablauf können die Wissenschaftler:innen die Koordination und Synchronisation von Nervenzellen ergründen, wodurch sie wiederum verstehen wie Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Gedächtnisleistungen ablaufen. Die Konditionierung der Affen wurde des Öfteren kritisiert. An dieser Stelle sei nochmals erwähnt, dass die Tiere in keinem negativen Zustand sind. Sie erhalten im Gehege regulär kein Wasser, sodass der Orangensaft als Belohnung agiert. Ähnlich ist es bei einem Hund. Der Hund bekommt über den Tag ausreichend Futter. Macht er einen Trick oder gehorcht gut beim Spazieren gehen, wird er mit einem Leckerli belohnt. So ist es eben auch bei den Affen. Sie sind ausreichend hydriert und erhalten den Saft zusätzlich. Wäre dem nicht so, dann wären sie nicht gesund. Dies wiederum wäre wie bereits erklärt für die Forschung kontraproduktiv, da die Ergebnisse nicht unter normalen, sondern unter verfälschten Umständen entstehen würden.
Ein kurzes Video zur aktuellen Forschung via Buten und Binnen findest du hier.
*Eigene Meinung der Autorin, unabhängig von der Universität Bremen*
Ich bin mir dessen bewusst, dass das Thema Tierversuche eine umfangreiche Angelegenheit ist. Daher beziehe ich mich im Nachgang ausschließlich auf die Versuche am Bremer Institut am Beispiel Affenforschung. Denn es ist unumstritten, dass es Tierversuche gibt, die nicht den Normen der EU entsprechen und dies nicht im Sinne der Wissenschaft sein kann, durch solche Versuche Ergebnisse zu erzielen. Es fällt mir persönlich schwer bei diesem Thema für oder gegen die Tierversuche zu sein. Ich bin dafür, dass Drogerie und Kosmetik niemals an Tieren getestet werden sollte. Diese Forschung jedoch bezieht sich auf die Grundlagen unseres Gehirns, sowie Heilungsmöglichkeiten und Medikamente. Ohne die Versuche an Tieren wären wir zum Beispiel nicht in der Lage, nach einem langen Wochenende oder einer Grippe eine Ibu gegen die Schmerzen zu nehmen. Denn diesen Bereich vergessen wir gerne. Und wer schon einmal einen geliebten Menschen oder auch ein Haustier in seinem Leben hatte, dass unheilbar erkrankte, weiß wie sehr man sich in diesen Situationen wünscht, es gäbe eine Lösung. Doch wie soll eine Lösung gefunden werden, wenn daran nicht geforscht werden kann? Ich vertraue darauf, dass die Uni Bremen und die Wissenschaftler:innen an Alternativen forschen würden, statt an Tieren wenn es die Möglichkeit gäbe. Ich vertraue darauf, dass die diversen Stellen, die Richtlinien einhalten und die Forschung sonst nicht erlauben würden. Ich vertraue der Wissenschaft, denn sie liefert Zahlen und Fakten und somit Möglichkeiten für Lösungsansätze. Diese Affen werden nicht am offenen Gehirn operiert oder mit Stromschlägen gefoltert, sondern reagieren auf Dreiecke auf einem Bildschirm, während Menschen stupide Arbeit am Fließband machen müssen. Bei beidem wäre es schön, wenn das nicht sein müsste. Da sind wir uns sicherlich einig. Aber solang an den Affen unter derartig humanen Bedingungen geforscht wird, sollte man sich meiner Meinung nach lieber Gedanken über andere Tierhaltungen wie bspw Massentierhaltung machen. Generell ist und bleibt es ein schwieriges Thema und ich kann beide Seiten nachvollziehen, wodurch ich mich nicht gänzlich entscheiden kann. Es ist immer ein Abwägen zwischen dem ethischen Empfinden, dem Tierschutz und ob die Fragestellung so wichtig ist, dass es eine derartige Forschung rechtfertigt.
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