Zwischen Leistungsdruck und Selbstfürsorge
Gerade ist es nahezu unausweichlich. Es ist kalt, oft nass und alle um einen herum scheinen gerade krank zu sein oder etwas zu verschleppen und es sich nicht einzugestehen, dass sie Ruhe bräuchten. Viel zu oft kann man sich dabei selbst dazu zählen. Seit fast zwei Wochen nun liege ich mit einem grippalen Infekt flach. Doch neben vegetativ Serien „schauen“ und komatös schlafen, macht sich in mir eine Stimme breit. „Ich habe so viele Termine“ „Das kann ich nicht aufschieben“ „Ich habe noch so viel zu erledigen, ich darf jetzt nicht krank sein“
Das Problem ist: Deinem Körper ist es egal ob du jetzt „krank sein darfst“. Du bist es. Und vielleicht bist du genau wegen des ganzen Stresses krank. Dein Immunsystem war angreifbar und da sind wir nun. Statt also weiter uns Gedanken zu machen, was wir alles machen müssten, obwohl wir gerade nicht können, sollten wir uns und unserem Körper die Ruhe gönnen. Leider steckt dieser Leistungsgedanke tief in unserer Gesellschaft. Dementsprechend wurden und werden wir sozialisiert. Wir definieren uns über unsere Arbeit und Leistung. Bei Talkshows oder anderen Sendungen steht bei der Vorstellung einer Person immer der Name, das Alter und der Beruf. Wir studieren, reisen, kündigen und beginnen einen neuen Job, weil wir eine Tätigkeit suchen mit der wir uns identifizieren. Erst seit Corona und der damit einhergehenden Pandemie haben wir schmerzlich gelernt, dass wir bei Symptomen zuhause bleiben müssen und sollten, auch aus Solidarität anderen gegenüber. Wie oft schleppen sich Menschen krank ins Büro oder in die Uni. Dabei ist es nicht nur ungesund für sie, sie stecken damit potenziell andere an. Auch wenn uns bewusst ist, dass wir Ruhe brauchen und nicht arbeiten sollten, sei es für die Uni oder den Job, ist da weiterhin der innere Leistungsdruck. Wir möchten unbedingt alle Termine wahrnehmen. Ärgern uns, dass wir die letzten Tage nicht genutzt, wenn nicht sogar prokrastiniert haben. Doch all diese Gedanken sind jetzt nicht hilfreich, denn krank ist krank. Ich kenne das Gefühl zu gut. Während ich das hier schreibe, sollte ich mich ausruhen und nicht an den Artikel oder meine BA Präsentation denken, die ich verschieben musste. Tja, nun sitzt ich hier und schreibe. Kein bisschen besser. Doch vielleicht können wir uns gegenseitig helfen. Wenn wir merken, dass Freund:innen sich zu viel Druck machen oder schlecht über jemanden geredet wird der/die krank ist, dann mal kurz intervenieren. Mit diesen kleinen Übungen und Tricks habe ich versucht mich jedes Mal etwas wieder runterzufahren, sobald die Stimme des inneren Leistungsdrucks zu laut wurde:
- Nicht nur in dieser Situation, sondern auch oft, wenn mich etwas aufregt, frage ich mich: Kann ich etwas daran ändern? Wenn ja, was? Das ich krank bin, ist jetzt so. Mich darüber dauerhaft zu ärgern und mir vorzustellen, was ich gerade alles machen könnte, ist kontraproduktiv. Was ich aber ändern kann, ist der Weg meiner Genesung. Viel Schlaf, viel Tee trinken, inhalieren und ggf. zum Arzt und Medikamente nehmen.
- Wenn die Gedanken rasen, dann schnapp dir ein Blatt Papier und einen Stift. Schreibe auf was dich beschäftigt. Warum stört es dich so sehr, dass du gerade krank bist? Gibt es Sachen, die dich richtig daran frustrieren? Wo bist du auch einfach sauer? Alle Gedanken sind erlaubt, lass es raus. Das mag zwar nichts an deiner Situation ändern, aber es hilft das alles einfach mal raus zu lassen, statt es in sich hinein zu fressen.
- Think positive! Statt einer Pro und Contra Liste, machst du eine reine positive Liste. Egal wie cheesy du dabei denken musst und wie sehr du überspitzt oder übertreibst, tu es! Warum ist es gerade gut krank zu sein? Du konntest nicht auf die Party? Dafür musstest du dich nicht zurecht machen, hast keinen Kater am nächsten Tag, wurdest nicht von schrägen Menschen angemacht, hast Geld gespart und gönnst deinem Körper (und der Leber) Ruhe! Dabei kann man sich schon mal etwas blöd vorkommen, aber es lenkt die Art deiner Gedanken um beim Wiederholen.
- Das tolle daran ist, du kannst jetzt Dinge nachholen, für die du sonst keine Zeit hast. Wolltest du eine Serie durchsuchten? Oder einen Podcast hören? Dann los, dass kannst du super im Bett machen, ohne dich dafür schlecht zu fühlen. Gönn dir einen Tag mit Fastfood, wenn der Geldbeutel es zu lässt und lümmel dich so richtig ein. Oder mach dir einen entspannten Abend in der Badewanne.
Hast du Tricks und Tipps, wie man mit diesem inneren Leistungsdruck besser zurechtkommt? Dann teile gerne deine Gedanken mit uns!
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[…] wrote about the pressure we feel when we are sick and cannot continue working “normally” (https://blogtest.zmml.uni-bremen.de/eule/2023/01/22/zwischen-leistungsdruck-und-selbstfuersorge/). We have been socialized to perform, and not doing so implies enormous frustration and […]
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