Rojbas, Selam, Merhaba

Ich fließe durch drei Länder und münde im persischen Golf. Zwischen mir und Eupharat liegt Mesopotamien, wo ich das Leben ermöglichte. Zumindest hat es mir anne so erklärt. Mein Herz schlägt am schnellsten, wenn die kurdischen Lieder von früher angehen und ich in Nostalgie schwebe und mich gleichzeitig ärgere, dass ich die Worte doch gar nicht richtig verstehe. Eins hat sich geändert- die Schuld dafür bei den beiden zu suchen, denen die Worte und Sprache verboten worden ist. Und wenn ich meinem jüngeren Ich etwas zuflüstern könnte, wäre es, dass ich  Kind der Sonne und des Feuers bin, auch wenn ich es manchmal vergesse. Dass es mich gibt, dass es uns gibt, dass es unsere Lieder gibt, welche von Menschen in den Bergen gesungen werden. Dass mein Herz dafür schlagen darf, auch wenn es nicht auf der Karte abgebildet ist.

Ich würde Abla nicht in meinem harten Ton widersprechen, während sie mir liebevoll über mein Haar streicht und eine kleine Locke um ihre Finger wickelt. Abla, jetzt liebe ich sie.    Meine Liebe für neue Klamotten, Taschen und Schmuck hast du aber schon immer kritisch hinterfragt. Genommen hast  du sie mir aber nie. Im Gegenteil, du hast mir gezeigt, dass darin eine kleine Passion von mir steckt. Ich vermisse unsere kleinen Unterhaltungen, mit großer Bedeutung. Über das Leben, unsere Träume, unsere Unsicherheiten, unsere Geheimnisse. Nicht zu vergessen, unsere hochpolitischen Diskussionen über unsere Rolle als Frau und warum wir nicht Monopoly spielen dürfen, weil es doch der Kapitalismus in seiner leichtsinnigsten Form ist.

Lehrstunden von baba über Karl Marx, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin am Abend haben sich manchmal ewig lang angefühlt, aber nur, weil er so viel Wissen hatte und wir versucht haben mitzuhalten. Sein Ego ist so klein und sein Verständnis eine Kunst für sich. Und wenn die hitzigen Diskussionen im Streit ausgingen und wir uns in unsere Zimmer verkrochen haben, kam er am Abend an unsere Betten und hatte trotzdem liebe Worte für uns übrig. Heute sehe ich mich in ihm, in seinem Bedürfnis aufzuklären und Ungerechtigkeiten aufzudecken. Die wichtigste Regel dabei verliere ich aber manchmal aus den Augen- dass es manchmal schon reicht, wenn du sie in deinem Kopf aufdeckst. 

Rojbas, Selam, Merhaba, mein Name ist Dicle 


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