Schulischer Umgang mit soziokultureller Heterogenität

Aus meiner Schullaufbahn – ich habe die Oberstufe des Gymnasiums Hamburger Str. besucht – kann ich zunächst nur von den verbreiteten Vorkursen berichten, in denen Flüchtlinge separiert und vor allem in deutsch beschult wurden. Diese Form des Umganges entspricht demnach noch dem älteren Konzept der Ausländerpädagogik, in der die nicht deutschsprachigen SchülerInnen zeitlich begrenzt abgetrennt werden, um sie an die aus dieser Hinsicht homogene Mehrheit anzupassen. Vor Vollendung dieses Prozesses verließ ich die Schule. Aus Gesprächen mit meinen Bekannten ergab sich, dass diese genauso wie ich tatsächlich nie Kontakt in irgendeiner Weise zu einem/r dieser SchülerInnen gehabt hatten, womit wohl beiden Seiten einiges an Erfahrung missen mussten.

Die SchülerInnen des Förderzentrums meines Freiwilligendienstes waren zwar von der breiten Masse komplett separiert, Flüchtlinge ohne Deutschkenntnisse wurden jedoch in den normalen Klassenbetrieb von Anfang an aufgenommen und nebenbei gesondert gefördert, wodurch ein reger Dialog entstand, teils angeleitet von den Lehrern, teils auch von alleine auf dem Schulhof. Da auf dieser Schule zudem alle weiteren unterschiedlichsten Schülertypen auftraten – von SchülerInnen mit diversen Beeinträchtigungen bis hin zu Transgendern – , daraus logisch resultierende Konfliktlösung an der Tagesordnung stand und auch (wie im vorherigen Blogeintrag beschrieben) Rassismus eine Rolle spielte, kann ich diesem Schulkonzept, abgesehen natürlich davon, dass es sich grundsätzlich vom regulären Schulbetrieb lossagt, sowohl Aspekte der Interkulturellen- und Antirassistischen Pädagogik, als auch der Diversity Education abgewinnen. Tatsächlich beobachtete ich hier, wie Flüchtlinge mit Leichtigkeit Anschluss fanden und traf Kinder, die nach zwei Jahren Aufenthalt fließend deutsch sprachen. Die direkte Einbindung in den Unterricht stieß somit allgemein auf Erfolg, auch wenn es stets zusätzliche Arbeit für alle Lehrkräfte bedeutete.

Natürlich abhängig davon, nach welchem Konzept die Schule meines Praktikums verfährt, ist es für mich wissenswert, ob es überhaupt Kontakt zwischen RegelschülerInnen und denen der Sonderklassen gibt, in welcher Form dieser stattfindet und auch, von welcher Seite er initiiert wird (oder ob es vielleicht Lehrkräfte gibt, die dies in die Wege leiten), oder ob es auch mal auf einen Streit hinausläuft. Besonders interessant, jedoch wohl schwierig zu beantworten, wäre auch die Frage, wie sich Deutschkenntnisse bei Flüchtlingen in Sonderklassen und denen im regulären Unterricht im Vergleich entwickeln und ob andere SchülerInnen evt. durch die Inklusion weniger lernen.

Aus den gegensätzlichen Erfahrungen, die ich an Gymnasium und Förderzentrum gemacht habe, kann ich eindeutig schlussfolgern, dass frühes Zusammenführen der unterschiedlichsten Typen für alle Vorteile hat: Auch ich konnte mich zu Zeiten meines Freiwilligendienstes zum ersten mal richtig mit Flüchtlingen oder Beeinträchtigten auseinandersetzen, was ich als Erfahrung nicht missen möchte. Die in Bremen praktizierten Vorkurse für Flüchtlinge sind einerseits ein Anfang, der Fokus des Lernen der Sprache ist ein Wichtiger, sie sind jedoch in jedem Fall zu kombinieren mit möglichst zeitintensiven Zusammentreffen mit RegelschülerInnen, um eine frühzeitige Integration zu gewährleisten und die Deutschkenntnisse im Umgang mit Muttersprachlern zu optimieren, sowie um RegelschülerInnen an die vermehrte soziokulturelle Heterogenität zu gewöhnen und sie von neuen Eindrücken anderer profitieren zu lassen. Dies sollte nicht nur im normalen Unterricht – ggf. mit entsprechendem Zusatzpersonal – umgesetzt werden, es kann auch durch ein vermehrtes AG oder Projekt Angebot der Schule realisiert werden oder durch Werbung für außerschulische Aktivitäten unter den Flüchtlingen durch Regelschüler, die sie beispielsweise in den Sportverein mitnehmen.

Hetero- und Homogenität an Schulen

Die für mich zentralen Aspekte der ersten Sitzung der Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität“ waren vor allem die Gegensätze und das Zusammenspiel von Hetero- und Homogenität und der schmale, schwer erkennbare Grad, den man beim Umgang mit diesen bewandert. So erscheint es mir fast paradox, das jeder Mensch subjektive Kategorien zum Einordnen von Menschen erstellen muss, um mit der tatsächlich heterogenen Welt umzugehen, dies gleichzeitig aber auch der Ausgangspunkt für Diskriminierung und Ausgrenzung ist. Es erscheint unmöglich, diesen Grad ohne Fehltritt zu beschreiten, wobei ich es gleichzeitig als Notwendig erachte, die Richtung vorab bestens möglich bestimmen zu können.

Aus eigener Erfahrung kann ich hierzu aus meiner Freiwilligendienstzeit an der Georg-Droste-Schule berichten, einem Förderzentrum in Bremen für Sehbehinderte Kinder der ersten bist zehnten Klasse, also dem genauen Gegenteil des, von der Politik vorgegebenen, inklusiven Schulplans. Schülergruppen dieser Schule erscheinen auf den ersten Blick wohl homogen: Alle Schüler leiden an ihrem schlechten bis nicht existenten Sehen, jedoch sind die Krankheitsbilder großteils sehr individuell und weitere körperliche oder geistige Behinderungen, sowie ein sehr großes Einzugsgebiet und somit auch die unterschiedlichsten sozialen und ethnischen Herkünfte verursachen großes Konfliktpotential. Bei den Schülern war das schnell spürbar und besonders die Jüngeren lebten das Für und Wieder einer heterogenen Gruppe aus: Kleinere Streits waren praktisch pausenlos im Gange, größere Dramen spielten sich fast täglich ab, allerdings war auch immer wieder mal zu sehen, wie unterschiedlichste Typen zusammenfanden und sich austauschten. So sah ich etwa ein Kind mit Downsyndrom und eines mit Autismus kuscheln oder einen blinden Flüchtlingsjungen ohne Deutschkenntnisse den Schulhofsslang von einem deutlich älterem, an ADS und grauem Star leidenden Jungen lernen.

Ich selbst habe mich stets bemüht, jeden Schüler zu nehmen, wie er ist, wofür ich meist positive Rückmeldungen Seitens der Schüler erfuhr, sie wussten es immer zu schätzen, wenn man nett zu ihnen war oder half. Jedoch musste auch ich negative Erfahrung machen, als ein Schüler offen und ernsthafte rassistische Parolen abließ und in der Diskussion einen sturen Kopf bewies. Besagter Schüler und ich hatten lange Zeit ein schwieriges Verhältnis, ihn interessierte keines meiner Worte und ich behandelte ihn wohl meist auch nicht besonders freundlich. Ich merkte an mir selber, wie ich diesen Schüler als Rassisten kategorisierte und wie sich dies negativ auf unser Verhältnis auswirkte. Das er seine Meinung vermutlich seinem Umfeld bei sich zu Hause nachredete und seine Parolen wohl der Unsicherheit, resultierend aus nicht erfüllten Normalitätserwartungen an Mitschülern, die kein deutsch sprachen (oder gar nicht sprachen), entsprangen, kam mir zunächst nicht in den Sinn. Gegen Ende meines Dienstes schaffte ich es, ohne das ich den Grund nennen kann, diesen Schüler zu motivieren einer ebenfalls eingeschränkten Lehrerin die ganze Pause hindurch beim Tragen von Materialien zu helfen, was er freiwillig und begeistert tat. Ich war erstaunt das ich doch eine Seite an ihm gefunden hatte, die mir gefiel und frage mich, wie ich in Zukunft diese Seiten wecken kann.

Gerade dies gilt es für mich in kommender Praxiserfahrung herauszufinden, d.h. ich sollte mich explizit mit den Schülern beschäftigen, die mir nicht direkt sympathisch sind, herausfinden, woran dies liegt und versuchen, trotzdem einen offenen Umgang zu pflegen. Gerade bei eventuellen Erfolgen gilt es dann darauf zu achten, was ich bei diesem anders getan hatte als zuvor.

Um dem Konfliktpotential einer heterogenen Gruppe entgegenzuwirken gilt es natürlich nicht nur mit gutem Beispiel voran zu gehen, sondern auch auf viel Kommunikation zu setzen, damit Schüler sich untereinander verstehen, und sie über verschiedenste Religionen, Gesellschaftsformen, Ethnien u.ä. Aufzuklären, um evt. bestehenden Prekonzepte zuvorzukommen. Das Beispiel des kleinen Rassisten den ich traf, zeigt, das dies mit Problemen behaftet sein kann und nichtt von jetzt auf gleich funktioniert: Nach einer längeren Diskussion mit ihm erschien es mir nicht, als hätte er mir bei einem Wort zugehört. Es bleibt die Aufgabe der Lehrkraft, einen Zugang zu finden.

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