Abschlussreflektion

Im Rückblick auf die Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität“ fällt tatsächlich doch eine breite Palette an neuen Denkanstößen auf, die den Unterricht optimieren sollen: Zentral steht für mich das Bewusstsein für Heterogenität. Sich mit diesem Thema überhaupt erst auseinander zu setzten ist Grundlegend, um weitere Maßnahmen als LoL treffen zu können, wie beispielweise Präkonzepte bei Schülern abzufragen, bevor man in ein neues Thema einsteigt und vorallem seine eigenen zu kennen. Auch die Sprache ist mir, als Mathematiker, noch einmal ins Bewusstesein gerufen worden: Die Tatsache, das NW-Fächer meist mehr Vokabeln einführen als Fremdsprachen kam besonders überraschend, auch wenn es sich eigentlich von selbst versteht, dass bspw. Aufgabenformulierung so vollzogen sein sollte, dass sie auch der/die schwächste SuS möglichst versteht.

Zum Thema Inklusion kann ich nur sagen, dass ich die Erfahrung einer Förderschule gemacht habe, an der den SuS geholfen wurde, wie ich es mir an einer Regelschule im Moment nicht vorstellen kann. Trotzdem merkte ich in dieser Zeit, dass sich an diese  Förderzentrum fast eine Paralleljugendgesellschaft bildete, die kein Kontakt zu Regelschülern hatte. Dieser Umstand ist natürlich keinesfalls erstrebendwert, demnach muss sich eine Menge für Inlusion stark gemacht und eingesetzt werden, um Bedingung zu gewährleisten, die es Kindern mit Förderbedarf möglich macht, an Regelschulen zu gehen.

Genauso viel Arbeit verlangt wohl der Individualisierende Unterricht, der eng zusammen mit der Inklusion arbeiten muss, wenn diese realisiert werden soll. Das er nicht als allzweck Lösung dargestellt wurde, hat mir an der Vorlesung besonders gut gefallen. Er wurde als anstrengende, arbeitsaufwendige Alternative dargestellt, um allen SuS auf ihre Weise gerecht zu werden und dem Mathäus-Effekt entgegen zu wirken, wobei er auch das Gegenteil bewirken kann, da er durch differenzierte Behandlung auch heterogenisiert.

Zum Thema Gender bleibt mir noch zu sagen, dass ich die hier auftretenden Probleme – niedrigeres Leistungsniveau bei Jungs, großes Desinteresse für NW’s bei Mädchen – für tief in der Gesellschaft verankert halte und das ich nicht glaube, dass es mit Umformulierungen der Physikaufgaben zum Thema Optik mit der Verwendung von mädchengerechten Themen wie Spiegeln getan ist. Es existieren Unterschiede zwischen den Geschlechtern, und wenn Jungs sich tatsächlich mehr für Technik interessieren (These aus Vorlesung), dann halte ich es auch für Möglich das sich der Schnitt mehr für Physik interessiert. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, so muss in der Gesellschaft ein großes Umdenken stattfinden, bis sich Jungs den Sprachen und Mädchen der NW gleichermaßen annähern.

 

Individualisierender Unterrich

Prof. Dr. Till Sebastian Idel klingt nicht nur sehr elegant, er hat auch in der letzten Ringvorlesung den individualisierenden Unterricht, der in der letzten Zeit zunehmend gefordert und zu praktizieren versucht wurde, in einem kritischen Blick als alternative zum klassischen Frontalunterricht betrachtet. Diese Unterrichtsform setzt voraus, dass die Struktur des Lernens an Schulen geöffnet wird den SuS gegenüber: die gestellten Aufgaben werden an ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten angepasst, sie bekommen mehr Freiheit im Zeitmanagement (beispielsweise durch Wochenpläne und Stunden, in denen sie Fächer- und Klassenübergreifend arbeiten dürfen) und sie sollen deutlich differenzierter bewertet werden, als es Noten im Stande sind. Herr Idel weißt jedoch ausdrücklich darauf hin, dass diese Unterrichtsform in keinem Fall die Lösung aller Probleme bedeuten würde: Schon mit einer komplizierten Umstellung beginnend, die noch zusätzlich Probleme bereitet, führt beispielsweise die deutlich offenere Bewertung zu Schwierigkeiten, die Ergebnisse sind nicht mehr eindeutig, was den Schülern entgegen kommen mag, jedoch im Konflikt mit der eigentlichen Schulfunktion steht, die dem Arbeitsmarkt genaue Zahlen zeigen soll. Auch das Lehren macht eine solche Bewertungsform nicht einfacher, sie bekommt vielmehr Spielraum und Subjektivität, wobei sich die LuL wohl schon ohnehin auf deutlich mehr Dinge gleichzeitig konzentrieren müssen als zuvor – nämlich auf jede(n) SuS individuell.

Eine solche Sichtweise halte ich für realistisch und damit wichtig: Der individualisierende Unterricht hat sich ein paar Chancen verdient, man darf ihn jedoch keinesfalls als Allzweck Lösung ansehen. Er bringt neue Probleme und Schwierigkeiten mit sich und ist auch keinesfalls Antwort auf jedes alte Problem. Wenn man ihn dahingehend idealisiert, läuft man Gefahr, stark enttäuscht zu werden und nicht mit nötiger Arbeit und Leidenschaft vorzugehen, die nach wie vor – vielleicht noch mehr – wichtig für jeden Erfolg in der Bildung sind.

Im Hinblick auf diesen Gedankengang frage ich mich, welche LuL gestresster/aktiver im Unterricht sind: frontal oder individualisierend unterrichtende LuL. Am besten betrachtet am Beispiel nur eines/r LoL, der auf beide Strategien ab und an zurück greift. Desweiteren würde mich interessieren, welche SuS pro Zeit mehr leisten: Die mit klar definierten, oder die mit zeit-unspezifischen Aufgaben bspw. in Wochenplänen. Dieser Vergleich wird wohl schwieriger zu betrachten sein.

Genderklischees beim Sprachenlernen

In meiner Schullaufbahn lernte ich vorallem lange Jahre Englisch, hatte als zweite Fremdsprache Französisch und ein zu vernachlässigendes Jahr Spanisch. Auffallend war zunächst, dass in dieser Zeit genau ein Fach (Englisch) für nur genau ein Jahr von einem Mann unterrichtet wurde, die restliche Zeit lernte ich von Frauen. Diese genderspezifische Sprachenmotivation spiegelte sich bei mir wieder: Als Junge war ich mit wachsendem Alter auch wachsend an MINT-Fächern interessiert. Sprachunterricht fühlte sich für mich mit der Zeit immer mühsamer und langweiliger an und so trau ich mich heute (nach sechs Jahren Unterricht) keinen vollständigen Satz französisch heraus zu bringen (und ich hatte gute Noten, trotz meines Desinteresses), wobei ich von Spanisch gar nicht anfangen möchte. Auch Englisch, so sagt mir zumindest mein Gefühl, spreche ich nicht dank des Unterrichtes, sondern dank der Allgegenwärtigkeit der Sprache in meinem Alltag.

Nach Gardner und Lambert bietet es sich beim Sprachenlernen, die Teilhabe an einer neuen Kultur als Motivation anzubieten, ein Ansatz, der mir persönlich gefällt, vorausgesetzt, dies bedeutet nicht, das weiteres Musizieren (zudem ich als Junge im Teenageralter allein aus Coolnessgründen nicht imstande war – heute hat sich dies zum Glück geändert) und die Betrachtung weiterer Denkmäler o.ä. Einzug in den Sprachunterricht finden. Es bietet sich viel eher an, die SuS den Teil der fremden Kultur zu entdecken, der sie interessiert – sei es geschichtliches, künstlerisches, musikalisches, sportliches etc. – und diesen für sich selbst herauszuarbeiten.

Obwohl ich persönlich nie den Eindruck hatte, Fremdsprachenschulbücher seien besser für Mädchen geeignet, sonder eher, dass es eigentlich niemanden interessiere, dass Peter, Paul und Maria in der Küche sitzen (viel interessanter wäre es doch, säßen sie tatsächlich im Kitchen), würde ich als Verbesserungsanatz vorschlagen, Schulbücher vermehrt so aufzubauen, dass Schüler die Wahl zwischen verschiedenen Themengebieten haben, zu denen sie evt. selber recherschieren können oder zu denen sie selber die wichtigsten Vokabeln der Klasse präsentieren. Da man den klassischen Dialog Text zwischen Peter, Paul und Maria wohl nie aus den Büchern herausbekommen wird, hierzu mein Vorschlag: Um alle Eventualitäten, dass Maria nur in der Küche steht, während Peter und Paul Fußball spielen, auszuräumen, bedient man sich nicht mehr der zweckmäßigen Alltagssituationen, sonder engagiert einen etwas motivierten Geschichtenschreiber, der z.B. erzählt, wie die drei Gefährten zum Mars fliegen, oder wie Maria und Peter auf Pferden durch die Prärie reiten um das grüne Schleimmonster zu erwischen, das Paul entführt hatte.

Umgang mit Förderbedarf

Förderbedarf in den verschiedensten Bereichen – hierzu führen bspw. diverse körperliche/geistige Behinderungen oder Lernschwächen – wird bei Schülern diagnostiziert, um diesen im Schulalltag eine Sonderstellung zu geben, die entsprechenden Umgang gewährleisten soll. Diese Sonderstellung kann notwendig sein, damit SuS die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Durch die Definition eines Individuums mit einem einfach Wort – z.B. sozial-emotionaler Förderbedarf – muss dieses jedoch gleichzeitig mit der einhergehenden Stigmatisierung, der Ausgrenzung und Diskriminierung als Folge des plakativen ‚anders Sein‘ umgehen, wobei tiefer gehende Bedürfnisse, die jeder Mensch von uns unabhängig seines geistigen oder körperlichen Zustandes hat, schnell außen vor gelassen werden. Die Aussonderung solcher Kinder schützt diese davor nicht, sie werden auf Förderschulen vielleicht von besser geschultem Personal in angepasster Umgebung betreut, die Stigmatisierung wird jedoch durch den Status des/der SuS einer Förderschule verschärft. Gleichzeitig verlieren diese SuS den Bezug zum Regelalltag, sie verlieren Vorbilder, die sie unter bspw. leistungsstärkeren oder sozial kompetenteren SuS gehabt hätten und ihnen, sowie den SuS der Regelschulen, wird der Ausschluss von Anderer vorgelebt, was das Minderwertigkeitsgefühl auf der einen- und den Rassismus auf der anderen Seite weiter anstachelt.

Auch den LehrerInnen hilft diese Kategorisierung wenig: Die Diagnose ‚Förderschwerpunkt Wahrnehmung und Entwicklung‘ (bzw. ‚geistig Entwicklung‘) erfolgt durch eine geistige Beeinträchtigung, die einen IQ-Wert unter 70 verursacht. Der ohnehin schon wenig aussagekräftige Test definiert hier also die unterschiedlichsten Menschen, die Lehrperson kann vielleicht abschätzen, dass SuS mit diesem Förderschwerpunkt mehr Zeit und Hilfe zum Lernen brauchen, sie erfährt nicht, welche Persönlichkeit dahinter steckt und welche Eigenschaften – völlig unabhängig der Diagnose – ansonsten noch Aufmerksamkeit fordern. Genauso verhält es sich im Beispiel ‚Förderschwerpunkt Lernen‘: Ein/e MathematiklehrerInn rechnet mit einem weiteren Kind, das dem Unterricht sowieso nicht folgt, dabei hat es vielleicht (nur) eine Lese-Rechtschreibschwäche, verfügt jedoch über hervorragendes logisches Denken.

Um SuS mit Förderbedarf zu beschulen braucht es also weit mehr Informationen als die Diagnose (genau wie bei anderen SuS auch), die Lehrkraft sollte wissen, wie sie ihre SuS am besten erreicht, was deren Interessen sind, welche Bedingungen sie in Unruhe und Stress versetzen und was sie wieder beruhigt, was ihre Stärken und Schwächen sind, aus welchem Umfeld sie kommen usw. Hierzu braucht es einerseits Zeit, um die SuS kennenzulernen, sowie ein geschultes, nicht voreingenommenes Auge. Gleichzeitig kann die Lehrkraft sich aber auch mit Pädagogen unterhalten, die das entsprechende Kind schon früher betreuten und sollte sich in jedem Fall mit den Eltern auseinandersetzen, die ihr Kind meistens am Besten kennen. Hat man zudem noch weitere Sozialpädagogen im Team (was zwar notwendig, jedoch leider zu selten bezahlt ist), so hat man sich gute Voraussetzungen geschaffen um auf alle SuS bestmöglich einzugehen zu können. Eine besonders heterogene Gruppe kann so in kleinere Gruppen aufgeteilt werden, in der SuS entspannter und mit mehr Aufmerksamkeit mit der großen Vielfalt dieser Welt umgehen lernen können.

Integration von Seiteneinsteigern in den Regelunterricht

Gerade im Hinblick auf die aktuellen Flüchtlingswellen und den damit zusammenhängenden Familiennachzug, ist die Frage, wie schulpflichtige Kinder ohne Deutschkenntnisse in den Regelunterricht integriert werden von hoher Bedeutung. Problematiken entstehen dabei nicht nur durch die wachsende Heterogenität im Regelunterricht, auch die nach dem Bremer Konzept einjährigen Vorkurse für Seiteneinsteiger, die das Sprachniveau anpassen sollen, weisen gewissen Schwachstellen auf: Die TeilnehmerInnen haben nicht nur unterschiedlichste Herkunftsorte und Alter, gerade im Bezug auf die Flucht aus Kriegsgebieten kommen auch Kinder mit unterschiedlichsten Bildungsstufen zusammen – der-/demjenigen, die/der in seinem Leben schon Jahre auf der Schule war und dort alphabetisiert wie literarisiert wurde, wird der Erwerb einer neuen Sprache mit Schriftsystem und natürlich auch der Übergang zum Regelunterricht einfacher fallen, als denen, die in ihrem Leben noch kein Schulgebäude von innen gesehen haben. Die Bremer Bildungspolitik arbeitet dem entgegen und differenziert die Vorkurse nach diesen Kriterien, das interne Leistungsgefälle ist jedoch nach wie vor zu erkennen, Personal- und gerade Fachkompetenzmangel erschweren den Umgang mit hohen Flüchtlingszahlen, wenn man bedenkt, dass planmäßig 15 SuS eine Arbeitsgruppe bilden und 20 Sunden pro Woche beschult werden sollten. Die frühere Einführung in weniger sprachintensive Fächer – Kunst, Sport und später Naturwissenschaften – kann auch nicht verhindern, dass einige ohne Erreichen des gewollten Sprachniveaus in den Regelunterricht entlassen werden, wo die LehrerInnen der Regelklassen sich dem Problem stellen müssen.

Ich selbst kann hierzu wiedereinmal nur aus meinen Erfahrungen am Förderzentrum berichten, in meiner Schullaufbahn habe ich keine SuS ohne Deutschkenntnisse im Unterricht beobachten dürfen. An der Georg-Droste-Schule wurde ähnlich vorgegangen, wie oben beschrieben: Den SuS wurde direkt eine Klasse zugeteilt (diese waren kleiner als im Regelfall und meistens mit doppeltem Personal besetzt, sogar eine arabisch sprechende Fachkraft war häufig vor Ort), sie erhielten jedoch parallel separierten Deutschunterricht. Trotz zunächst fehlender Sprache zeigten diese Schüler kein Leistungsunterschied in beispielsweise Mathe, vorausgesetzt ihnen wurde die Aufgabe auf arabisch erklärt oder man kämpfte sich zeigend durch. Ich beobachtete, wie die Kinder rasante Fortschritte im Deutschen machten, was ich vor allem dem engen Kontakt zu gleichaltrigen Deutschsprachigen zuschreibe: Ich traf einen ca. 12 jährigen Jungen, den ich aufgrund seiner Sprache für hier gebürtig hielt – er war besser als die meisten in der Lage, dem (Deutsch-) Unterricht zu folgen – bis ich erfuhr, dass er gerade vor einem Jahr mit dem Erlernen unserer Sprache begonnen hatte.

Im Bezug auf mein präferiertes Fach – die Mathematik – ist natürlich der Umgang mit Zahlen weniger problematisch auch mit eingeschränkter Kommunikation: Die Sprache der Zahlen spricht man weltweit und es kann viel zeigend erklärt werden. So traf ich ein Kind in der dritten Klasse, das weder unsere Sprache sprach noch etwas sehen konnte, spricht man kommunizierte, indem man ihm Gegenstände zum Fühlen gab und Steine zählen ließ (die zeitweise Anwesenheit einer Dolmetscherin erleichterte die Arbeit), das mathematisch zu den Fortgeschrittensten seines Alter zählte. Insofern bedarf es auch wenig Aufwand, die meisten mathematischen Zusammenhänge ohne Verwendung von Sprache zu erklären. Das Bruchrechnen beispielsweise wird durch ein Gefühl für Zähler und Nenner erlernt, welches man SuS meistens durch das klassische Kuchen-/Pizzabeispiel näher bringt: Das Zählen, in wie viele Pizzastücke die Pizza aufgeteilt ist entspricht dem Nenner, das Zählen der markierten Stücke (z.B. diese, die man selber essen darf) entspricht dann dem Zähler. Diesen Zusammenhang kann man auch ohne Sprache bildlich darstellen: Es bietet sich an, einige kleingliedrig aufgeteilte Beispielaufgaben vorzugeben, an denen das Prinzip erläutert werden soll. Es wird zunächst gezeigt, wie die Pizza in eine bestimmte Anzahl Stücke zerteilt wird und anschließend, wie sie aufgeteilt wird, wobei jede imaginäre Person die gleiche bestimmte Anzahl von Stücken erhält. Anschließend sollen die SuS die Stückzahlen unter gleicher Aufgabenaufteilung selber zählen, ist das Prinzip verstanden reicht eine Abbildung von einer zerteilten Pizza, und die SuS können ihre ersten Brüche rechnen. Mit diesem Prinzip lassen sich dann auch Bruchaddition/-subtraktion, die anschauliche Darstellung eines gegebenen Bruches (spricht die Umkehrung der ersten Aufgabe) o.ä. einfach und ohne Verwendung von Sprache – außer der der Zahlen – darstellen und erlernen. Bringt die Lehrkraft nun tatsächlich noch einen Kuchen o.ä. in den Unterricht mit, der dann Verbruchrechnet werden muss um gegessen werden zu dürfen, so hat man sogar noch eine Option, falls die SuS obendrein blind sind.

Schulischer Umgang mit soziokultureller Heterogenität

Aus meiner Schullaufbahn – ich habe die Oberstufe des Gymnasiums Hamburger Str. besucht – kann ich zunächst nur von den verbreiteten Vorkursen berichten, in denen Flüchtlinge separiert und vor allem in deutsch beschult wurden. Diese Form des Umganges entspricht demnach noch dem älteren Konzept der Ausländerpädagogik, in der die nicht deutschsprachigen SchülerInnen zeitlich begrenzt abgetrennt werden, um sie an die aus dieser Hinsicht homogene Mehrheit anzupassen. Vor Vollendung dieses Prozesses verließ ich die Schule. Aus Gesprächen mit meinen Bekannten ergab sich, dass diese genauso wie ich tatsächlich nie Kontakt in irgendeiner Weise zu einem/r dieser SchülerInnen gehabt hatten, womit wohl beiden Seiten einiges an Erfahrung missen mussten.

Die SchülerInnen des Förderzentrums meines Freiwilligendienstes waren zwar von der breiten Masse komplett separiert, Flüchtlinge ohne Deutschkenntnisse wurden jedoch in den normalen Klassenbetrieb von Anfang an aufgenommen und nebenbei gesondert gefördert, wodurch ein reger Dialog entstand, teils angeleitet von den Lehrern, teils auch von alleine auf dem Schulhof. Da auf dieser Schule zudem alle weiteren unterschiedlichsten Schülertypen auftraten – von SchülerInnen mit diversen Beeinträchtigungen bis hin zu Transgendern – , daraus logisch resultierende Konfliktlösung an der Tagesordnung stand und auch (wie im vorherigen Blogeintrag beschrieben) Rassismus eine Rolle spielte, kann ich diesem Schulkonzept, abgesehen natürlich davon, dass es sich grundsätzlich vom regulären Schulbetrieb lossagt, sowohl Aspekte der Interkulturellen- und Antirassistischen Pädagogik, als auch der Diversity Education abgewinnen. Tatsächlich beobachtete ich hier, wie Flüchtlinge mit Leichtigkeit Anschluss fanden und traf Kinder, die nach zwei Jahren Aufenthalt fließend deutsch sprachen. Die direkte Einbindung in den Unterricht stieß somit allgemein auf Erfolg, auch wenn es stets zusätzliche Arbeit für alle Lehrkräfte bedeutete.

Natürlich abhängig davon, nach welchem Konzept die Schule meines Praktikums verfährt, ist es für mich wissenswert, ob es überhaupt Kontakt zwischen RegelschülerInnen und denen der Sonderklassen gibt, in welcher Form dieser stattfindet und auch, von welcher Seite er initiiert wird (oder ob es vielleicht Lehrkräfte gibt, die dies in die Wege leiten), oder ob es auch mal auf einen Streit hinausläuft. Besonders interessant, jedoch wohl schwierig zu beantworten, wäre auch die Frage, wie sich Deutschkenntnisse bei Flüchtlingen in Sonderklassen und denen im regulären Unterricht im Vergleich entwickeln und ob andere SchülerInnen evt. durch die Inklusion weniger lernen.

Aus den gegensätzlichen Erfahrungen, die ich an Gymnasium und Förderzentrum gemacht habe, kann ich eindeutig schlussfolgern, dass frühes Zusammenführen der unterschiedlichsten Typen für alle Vorteile hat: Auch ich konnte mich zu Zeiten meines Freiwilligendienstes zum ersten mal richtig mit Flüchtlingen oder Beeinträchtigten auseinandersetzen, was ich als Erfahrung nicht missen möchte. Die in Bremen praktizierten Vorkurse für Flüchtlinge sind einerseits ein Anfang, der Fokus des Lernen der Sprache ist ein Wichtiger, sie sind jedoch in jedem Fall zu kombinieren mit möglichst zeitintensiven Zusammentreffen mit RegelschülerInnen, um eine frühzeitige Integration zu gewährleisten und die Deutschkenntnisse im Umgang mit Muttersprachlern zu optimieren, sowie um RegelschülerInnen an die vermehrte soziokulturelle Heterogenität zu gewöhnen und sie von neuen Eindrücken anderer profitieren zu lassen. Dies sollte nicht nur im normalen Unterricht – ggf. mit entsprechendem Zusatzpersonal – umgesetzt werden, es kann auch durch ein vermehrtes AG oder Projekt Angebot der Schule realisiert werden oder durch Werbung für außerschulische Aktivitäten unter den Flüchtlingen durch Regelschüler, die sie beispielsweise in den Sportverein mitnehmen.

Hetero- und Homogenität an Schulen

Die für mich zentralen Aspekte der ersten Sitzung der Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität“ waren vor allem die Gegensätze und das Zusammenspiel von Hetero- und Homogenität und der schmale, schwer erkennbare Grad, den man beim Umgang mit diesen bewandert. So erscheint es mir fast paradox, das jeder Mensch subjektive Kategorien zum Einordnen von Menschen erstellen muss, um mit der tatsächlich heterogenen Welt umzugehen, dies gleichzeitig aber auch der Ausgangspunkt für Diskriminierung und Ausgrenzung ist. Es erscheint unmöglich, diesen Grad ohne Fehltritt zu beschreiten, wobei ich es gleichzeitig als Notwendig erachte, die Richtung vorab bestens möglich bestimmen zu können.

Aus eigener Erfahrung kann ich hierzu aus meiner Freiwilligendienstzeit an der Georg-Droste-Schule berichten, einem Förderzentrum in Bremen für Sehbehinderte Kinder der ersten bist zehnten Klasse, also dem genauen Gegenteil des, von der Politik vorgegebenen, inklusiven Schulplans. Schülergruppen dieser Schule erscheinen auf den ersten Blick wohl homogen: Alle Schüler leiden an ihrem schlechten bis nicht existenten Sehen, jedoch sind die Krankheitsbilder großteils sehr individuell und weitere körperliche oder geistige Behinderungen, sowie ein sehr großes Einzugsgebiet und somit auch die unterschiedlichsten sozialen und ethnischen Herkünfte verursachen großes Konfliktpotential. Bei den Schülern war das schnell spürbar und besonders die Jüngeren lebten das Für und Wieder einer heterogenen Gruppe aus: Kleinere Streits waren praktisch pausenlos im Gange, größere Dramen spielten sich fast täglich ab, allerdings war auch immer wieder mal zu sehen, wie unterschiedlichste Typen zusammenfanden und sich austauschten. So sah ich etwa ein Kind mit Downsyndrom und eines mit Autismus kuscheln oder einen blinden Flüchtlingsjungen ohne Deutschkenntnisse den Schulhofsslang von einem deutlich älterem, an ADS und grauem Star leidenden Jungen lernen.

Ich selbst habe mich stets bemüht, jeden Schüler zu nehmen, wie er ist, wofür ich meist positive Rückmeldungen Seitens der Schüler erfuhr, sie wussten es immer zu schätzen, wenn man nett zu ihnen war oder half. Jedoch musste auch ich negative Erfahrung machen, als ein Schüler offen und ernsthafte rassistische Parolen abließ und in der Diskussion einen sturen Kopf bewies. Besagter Schüler und ich hatten lange Zeit ein schwieriges Verhältnis, ihn interessierte keines meiner Worte und ich behandelte ihn wohl meist auch nicht besonders freundlich. Ich merkte an mir selber, wie ich diesen Schüler als Rassisten kategorisierte und wie sich dies negativ auf unser Verhältnis auswirkte. Das er seine Meinung vermutlich seinem Umfeld bei sich zu Hause nachredete und seine Parolen wohl der Unsicherheit, resultierend aus nicht erfüllten Normalitätserwartungen an Mitschülern, die kein deutsch sprachen (oder gar nicht sprachen), entsprangen, kam mir zunächst nicht in den Sinn. Gegen Ende meines Dienstes schaffte ich es, ohne das ich den Grund nennen kann, diesen Schüler zu motivieren einer ebenfalls eingeschränkten Lehrerin die ganze Pause hindurch beim Tragen von Materialien zu helfen, was er freiwillig und begeistert tat. Ich war erstaunt das ich doch eine Seite an ihm gefunden hatte, die mir gefiel und frage mich, wie ich in Zukunft diese Seiten wecken kann.

Gerade dies gilt es für mich in kommender Praxiserfahrung herauszufinden, d.h. ich sollte mich explizit mit den Schülern beschäftigen, die mir nicht direkt sympathisch sind, herausfinden, woran dies liegt und versuchen, trotzdem einen offenen Umgang zu pflegen. Gerade bei eventuellen Erfolgen gilt es dann darauf zu achten, was ich bei diesem anders getan hatte als zuvor.

Um dem Konfliktpotential einer heterogenen Gruppe entgegenzuwirken gilt es natürlich nicht nur mit gutem Beispiel voran zu gehen, sondern auch auf viel Kommunikation zu setzen, damit Schüler sich untereinander verstehen, und sie über verschiedenste Religionen, Gesellschaftsformen, Ethnien u.ä. Aufzuklären, um evt. bestehenden Prekonzepte zuvorzukommen. Das Beispiel des kleinen Rassisten den ich traf, zeigt, das dies mit Problemen behaftet sein kann und nichtt von jetzt auf gleich funktioniert: Nach einer längeren Diskussion mit ihm erschien es mir nicht, als hätte er mir bei einem Wort zugehört. Es bleibt die Aufgabe der Lehrkraft, einen Zugang zu finden.

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