In diesem Blogbeitrag sollen die Zusammenhänge zwischen Leistungsheterogenität und Einfluss der Lehrkräfte auf die schulischen Leistungen unter Berücksichtigung der pädagogischen Forderungen herausgearbeitet werden. Anschließend werde ich von meine Erfahrungen zur Leistungswahrnehmung, -rückmeldung und -beurteilung berichten und am Ende noch Stellung zu einer Aussage von Hiller nehmen.
Budde bezeichnet Leistungsheterogenität als lern- und leistungsbezogene Differenzkategorie und stellt den wichtigen Aspekt heraus, dass Leistungsheterogenität das Sichtbar werden von Bildungsungleichheit bedeutet. Nach ihm tragen institutionelle Strukturen und Lehrkräfte zur Verstärkung dieser bei (vgl. Trostmann 2022: Folie 10). Im Lernprozess zeigt sich Leistungsheterogenität in Form von unterschiedlicher Geschwindigkeit im Aufnahme- und Verarbeitungsprozess und in den Fähigkeiten oder in der Bereitschaft, die gestellten Aufgaben zu bearbeiten (vgl. ebd.: Folie 13). Über die Arbeitsergebnisse zeigt sie sich in abweichenden oder lückenhaften Ergebnissen, in Form und Inhalt unterschiedlichen Produkten (vgl. ebd.: Folie 13). Lehrpersonen sorgen für das Sichtbar machen dieser Unterschiede, denn erst im sozialen Vergleich entstehen Gleichheit und damit Differenz und werden mit Wertungen aufgeladen (vgl. ebd.: Folie 11). Die Einteilung in „leitungsschwach“ und „leistungsstark“ wird von Lehrkräften oder SuS selbst entwickelt (vgl. ebd.: Folie 12). Lehrkräfte beurteilen die SuS, wodurch sie zu deren Entwicklung beitragen und die SuS individuell fördern sollen. Durch die Beurteilung entscheiden sie auch über die Schullaufbahn und die Abschlussniveaus der Kinder, haben also einen großen Einfluss auf die berufliche Laufbahn (vgl. ebd.: Folie 19).
Insgesamt haben Lehrkräfte und Unterricht mit einem Anteil von 39% einen großen, aber nicht den einzigen Einfluss auf die schulische Leistung der Kinder (vgl. Zierer 2014: 17). Da auch andere Ebenen erheblichen Einfluss auf die schulische Leistung haben ist zunächst wichtig, dass die Bereiche miteinander kooperieren, also Lehrkräfte z.B. mit Eltern oder mit den Lernenden auf einer kooperativen Ebene arbeiten (vgl. ebd.: 18). Dies bedeutet aber auch: „Strukturelle Maßnahmen und die Erhöhung der finanziellen Mittel bewirken isoliert wenig. Entscheidend sind im pädagogischen Kontext die Lehrpersonen, welche die Strukturen mit Leben füllen und die Qualität des Unterrichts verbessern können.“ (ebd.: 6).
Dazu formuliert Klippert vier Ebenen der Lern- und Integrationsförderung, die auf eine andere Gestaltung von Unterricht setzen, um Leistungsheterogenität entgegenzutreten. Hierbei werden über ein begabungs- und interessenabhängiges Bearbeiten (vgl. Klippert 2012: 95) Leistungen und Partizipation der Kinder möglich gemacht. Die Ebene der Förderung von Schülerkooperation fördert kooperatives Arbeiten und Lernen und somit die Absprachen zwischen den SuS. Er fordert außerdem einen Unterricht mit vernetzten Lerntätigkeiten sowie die Förderung basaler Lernkompetenzen (vgl. ebd.: 95). Dadurch können die SuS ihre Stärken und Schwächen kennenlernen und es wird Partizipation der SuS gefördert (vgl. ebd. 95). Insgesamt sorgen Formate wie Portfolioarbeit oder Gruppenanalysen außerdem zu einer Transparenz der Erwartungen und Lernziele.
Weitere didaktische Maßnahmen zur Auseinandersetzung mit Leistungsheterogenität wären eine klare Trennung zwischen Lernphasen, Phasen zur Diagnostik und Phasen der Leistungsbeurteilung sowie alternative Beurteilungsformen.
Da ich bisher nur in einer ersten Klasse als Praktikantin war und dort auch nur in den ersten Schulwochen miterlebt habe, kann ich nur begrenzt über Erfahrungen der Leistungswahrnehmung, -rückmeldung und -beurteilung berichten. Die Lehrkräfte sind dabei vor allem während Arbeitsphasen rumgegangen, haben die Kinder unterstützt und dabei auch darauf geachtet, wie gut die Aufgaben bearbeitet wurden. Sobald die Kinder ein gewünschtes Verhalten zeigten oder z.B. eine Zahl richtig nachfuhren oder etwas für ihre Verhältnisse besonders genau ausschnitten, wurden sie viel gelobt und in ihrem Tun bestärkt. Auf Leistungsheterogenität wurde nur teilweise eingegangen. So mussten die Kinder alle die gleichen Aufgaben bewältigen, aber Kinder, denen es sichtlich schwerer fiel, wurden besonders gelobt, wenn sie sich Mühe gaben. Teilweise reichte es dann z.B. auch, wenn sie nur einige Zahlen und nicht alle sehr ordentlich nachfuhren.
In meiner eigenen Schulzeit wurde meiner Meinung nach noch weniger auf di Leistungsheterogenität geachtet. Alle erhielten die gleichen Aufgaben und gute Noten erhielt, wer Themen schnell verstanden hatte. Methoden wie das Arbeiten mit Arbeitsplänen oder Wochenplänen, das Erstellen von Portfolios o.Ä. wurde nicht genutzt. Ich hatte zwei Lehrkräfte, die die Ordner einsammelten und dies mit in die Note einfließen ließen. Rückmeldungen zur Leistung erhielten wir maximal zweimal im Halbjahr in Form der Besprechung er mündlichen Noten. Hierbei wurde nur Beobachtungen der Lehrkraft wie z.B. „im Moment bist du stiller“ oder „im Moment machst du viel mit, du hast dich verbessert“ weitergegeben. Es erfolgte keine gemeinsame Besprechung der Entwicklungen oder den Lernzielen. Eine Bewertung erfolgte in Form von Noten
Ich als angehende Lehrkraft würde der Aussage von Hiller nur teilweise zustimmen.
In Bezug auf die Strukturen der Schulen bzw. des Bildungsapparates kann man tatsächlich von „starr“ reden, da bspw. alle Kinder die gleichen curricularen Anforderungen erfüllen sollen. Außerdem bietet das System keine wirkliche Lösung für Kinder, die nicht Deutsch als Muttersprache sprechen. Diese Kinder sind Deutsch-Muttersprachlern von Beginn an unterlegen, müssen aber die gleichen curricularen Anforderungen erfüllen, weil unser Schulsystem nach Alter geht und nicht nach Kenntnissen der deutschen Sprache. Ein Deutsch-Defizit führt oft zu schlechteren Noten, weil Aufgaben oder Erklärungen nicht richtig verstanden werden, zieht sich dann durch die ganze Grundschulzeit und verhindert aller Wahrscheinlichkeit nach den Besuch eines Gymnasiums.
Des Weiteren ist es nach eigener Erfahrung schwer zusätzliches Personal zu bekommen, wenn bspw. ein Kind einen höheren Betreuungsbedarf hätte. Hier machen der Personalmangel und der bürokratische Aufwand das System „starr“.
Wenn also Lehrkräfte etwas innerhalb des „starren“ Systems ermöglichen wollen, dann ist das recht schwer wegen der einheitlichen Lehrpläne, fehlender Finanzmittel und damit auch einem niedrigen Personalschlüssel.
Von einer gedankenlosen Routine oder arroganten Lehrkräften kann man nur teilweise sprechen. Ich habe engagierte und motivierte Lehrkräfte erlebt, die sich bemühten auf alle Kinder einzugehen und den Ansprüchen der Leistungsheterogenität gerecht zu werden. Ich habe aber auch Lehrkräfte erlebt, die „stumpf“ Blätter austeilen, die Kinder arbeiten lassen, kaum auf diese eingehen und am Schreibtisch sitzen bleiben oder die Kinder einfach in eine Draußen-Spielstunde schicken, anstatt Unterricht zu machen. Ich habe durch Erfahrungsberichte schon oft von Diskriminierungen durch Lehrpersonen gehört, es aber selbst noch nicht erlebt.
Insgesamt würde ich sagen, dass die Strukturen starr sind und es auch Lehrkräfte mit Vorurteilen gibt. Tatsächlich kann ich aber kaum beurteilen, ob es nun viele sind oder nicht und habe persönlich hauptsächlich positive Erfahrungen gemacht.
Forschungsfragen:
„Inwieweit wird in der Bearbeitungsphase Rücksicht auf Leistungsheterogenität genommen?“
„Inwieweit unterscheidet sich die Interaktion der Lehrkraft mit den leistungsstarken SuS von der mit den leistungsschwachen?
Literatur:
Zierer, Klaus (2014): Kernbotschaften aus John Hatties Visible Learning. Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung. [online] https://d-nb.info/1054436630/34 [Zugriff: 26.05.2022]
Klippert, Heinz (2012): Heterogenität im Klassenzimmer. Weinheim: Beltz Verlagsgruppe. [online] https://content-select.com/goto/9783407291233/97 [Zugriff: 27.05.2022]
Trostmann, Sven (2022): Leistungsheterogenität – Zeichen, Ursachen und Umgang im Prozess der Leistungsbeurteilung. (Vorlesungsfolien der Ringvorlesung SoSe 2022 des Moduls Umgang mit Heterogenität in der Schule (BiPEb))
Eine Antwort zu “Leistungsheterogenität – Zeichen, Ursachen und Umgang im Prozess der Leistungsbeurteilung”
Hallo Cara,
vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag über die Zusammenhänge zwischen Leistungsheterogenität und den Einfluss der Lehrkräfte auf die schulischen Leistungen.
Besonders interessant finde ich deinen 3. Absatz in denen du erläuterst, dass die Lehrkräfte mit 39% einen Einfluss auf die schulischen Leistungen der Kinder haben. Ich stimme dir zu, dass andere Ebenen ebenfalls einen Einfluss auf die schulischen Leistungen der SuS haben und möchte hierbei auf Zierer zurückgreifen. Kein Mensch existiert für sich selbst und steht in einem ständigen Austausch mit der Umwelt. Als Beispiel die Familie, Schule, Freizeit und weitere Bereiche stehen in einem Wechselwirkungsverhältnis und beeinflussen die SuS und die damit verbundenen schulischen Leistungen (vgl. Zierer 2014, S. 6).
Die vier Ebenen der Lern- und Integrationsförderung nach Kippert finde ich sehr interessant und fördert die Heterogenität in einer Klasse. Besonders für Schüler*innen die Schwierigkeiten aufweisen im alltäglichen Schulbetrieb und gerne in der Masse untergehen. Für die SuS können durch andere Lernverfahren und Lernaufgaben, aber auch Stützmaßnahmen und Förderangebote von den vier Ebenen der Lern- und Integrationsförderung nur profitieren (vgl. Klippert 2012, S. 18).
Deine Praxiserfahrungen überschneiden sich in vielen Punkten mit meinen eigenen Erfahrungen. Während der Praktika ist mir ebenfalls aufgefallen, dass die SuS die gleichen Materialien bearbeiten und nur in selten Momenten differenziert Materialien zu Verfügung gestellt bekommen. In meinem letzten Praktikum haben vier SuS mit dem Förderbedarf W+E differenziert Material zu ihren eigenen Lernstand bekommen. Da die SuS auf sehr unterschiedlichen Niveaus gearbeitet haben und passendes Material zu ihren Lernstand bereitgestellt bekommen haben, wurden die Aufgaben auch immer sorgfältig bearbeitet. Situationen wie du sie beschreibst, in denen die SuS nur einige Zahlen schreiben mussten habe ich noch nicht beobachten können. Dennoch sollte auf die SuS genauer eingegangen werden und eine optimale Förderung zur Verfügung gestellt werden. So dass, eine optimale Leistungsheterogenität gewehrt werden kann.
Die meisten Schüler/innen können und wollen durchaus mehr als das, was sie uns im alltäglichen Schulbetrieb zeigen. Wie wir auch schon aus den vorherigen Vorlesen lernen konnten, sind standardisierte Lernverfahren nicht immer optimal. Wie in der zweiten Vorlesung von Herr Dr. Fantini sollten Lehrkräfte unterschiedliche Differenzdimensionen und deren Zusammenspiel in den Blick nehmen und eine intersektionale Perspektive mit Hilfe dieser, ermöglichen (vgl. Fantini 2022: Folie 28).
Quellen:
Zierer, Klaus (2014): Kernbotschaften aus John Hatties Visible Learning. Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung. Online verfügbar unter: https://d-nb.info/1054436630/34 letzter Zugriff: 29.05.2022
Klippert, Heinz (2012): Heterogenität im Klassenzimmer. Weinheim: Beltz Verlagsgruppe. online verfügbar unter: https://content-select.com/goto/9783407291233/97 letzter Zugriff: 29.05.2022
Fantini, Christoph (2022): Soziokulturelle Heterogenität. (Vorlesungsfreien der Ringvorlesung SoSe 2022).