Liebe Leser*innen,
in diesem Beitrag werde ich zunächst die für mich persönlich zentralen Erkenntnisse der Sitzung nennen, dann den Aspekt des zieldifferenten Lernens in Bezug auf inklusiven Unterricht diskutieren und am Ende noch kurz auf noch offene Fragen eingehen.
Die für mich zentralen Erkenntnisse der Sitzung sind für mich, dass so viele verschiedene Aspekte bei einem guten inklusiven Unterricht beachtet werden müssen (z.B. Kommunikation über die Sache, Vielfältige Zugänge und Handlungsorientierung, innere Differenzierung). Das war mir vorher nicht so bewusst. Interessant fand ich auch, auf wie vielen verschiedenen Ebenen Differenzierung möglich ist. Es wird z.B. zwischenzieldifferentem Lernen, innerer Differenzierung und Individualisierung unterschieden. Den Aspekt der inneren Differenzierung habe ich vorher nicht als eigenen Aspekt gekannt, wodurch auch das für mich eine zentrale Erkenntnis ist.
Zum Aspekt des differenzierten Lernens ist mir direkt der Mathematikunterricht der Klasse aus meinem Orientierungspraktikum eingefallen, da es kaum differenzierte Angebote für die Kinder gab. Alle Kinder mussten bspw. die Zahlen nachzeichnen und mussten die Arbeitsblätter vollständig ausfüllen. Wenn Kinder schneller fertig waren, durften sie meist ein Zahlensuchbild bearbeiten oder Mandalas ausmalen. Den Kindern, die wirklich Probleme mit dem Nachspuren hatten, wurde intensiver geholfen, indem sie z.B. motiviert wurden oder ihnen die Technik nochmal erklärt wurde. Außerdem mussten ihre Zahlen nicht ganz so perfekt aussehen und es war schließlich ausreichend, wenn sie der Lehrkraft oder mir dreimal korrekt die Zahl aufschrieben.
Doch wie hätte ein besserer lerndifferenzierter Unterricht aussehen können?
Nun, es hätte bspw. verschiedene Aufgabenformate für verschiedenstarke SuS geben können (z.B. Sternchenaufgaben für die Schnelleren). Eine weitere Möglichkeit wären motivierende, anders erscheinende Aufgabenformate zum Bearbeiten zwischen den Arbeitsblättern mit dem Nachspuren und Aufschreiben der Zahlen gewesen (z.B. die Kinder die bereits gelernten Zahlen im Schulgebäude suchen zu lassen) Dadurch kann die Motivation auch bei Kindern, die weniger Ausdauer besitzen oder noch stärkere Alltagsnähe benötigen, gesteigert werden. Auch hätte kooperatives Lernen mehr genutzt werden können, indem lernstärkere SuS den lernschwächeren helfen und darüber Heterogenität akzeptiert und als Lernchance genutzt werden können (vgl. Korten 2020: 76). Generell wäre ein Mathematikunterricht, der sich auf Lösungs- und Lernprozesse konzentriert (vgl. Korten 2020: 64) sinnvoll. Das bedeutet, Bemühungen der Kinder wertzuschätzen, sie zu motivieren und zu belohnen, wenn sie bspw. konzentriert gearbeitet haben.
Eine Herausforderung liegt in der Umsetzung eines lerndifferenzierten Unterrichts während des für den Lernprozess wichtigen, gemeinsamen Unterrichtsgespräch. Wie kann man in einem Gespräch, welches alle führen differenzieren? Korten sieht hier die Lösung in der Wertschätzung eines jeden Kindes sowie im Annehmen von Heterogenität als Normalität (vgl. Korten 2020: 76).
Generell sollte aber nicht nur die Differenz beachtet werden. Sowohl Differenz als auch Gleichheit sind für einen integrativen Unterricht wichtig und ergeben in Ergänzung ein dialektisches Verständnis von Gleichheit und Verschiedenheit aller Kinder (vgl. Hinz 1996: 264). Hinz differenziert hierbei zwischen allgemeinen und individuellen Lernzielen: Z.B. soll eine ganze Klasse die schriftliche Division lernen. Auf welchem Weg oder inwieweit einzelne Kinder das lernen, ist ein individuelles Lernziel und muss ebenso wie das allgemeine beachtet werden (vgl. ebd.: 264).
Offen geblieben ist für mich während der Sitzung, wie genau man mit und über Inklusionskinder(n) kommunizieren sollte, wie ich sie tatsächliche einbeziehe und wie ich ihre besondere Rolle mit der Klasse kommuniziere. Dem möchte ich im nächsten Praktikum auf den Grund gehen, indem ich mit den Lehrkräften vor Ort spreche und dies erfrage sowie das Unterrichtsgeschehen daraufhin beobachte.
Literatur:
Hinz, Andreas (1996): Zieldifferentes Lernen in der Schule. Überlegungen zu einem integrativen Umgang mit Heterogenität. In: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im DGB (Hrsg.) (1996): Die Deutsche Schule. S. 263-279. Jg. 88. Heft 3. Weinheim: Juventa Verlag GmbH. [online] https://www.digizeitschriften.de/id/509092632_0088%7Clog63?tify={%22pages%22:[2],%22pan%22:{%22x%22:0.504,%22y%22:0.797},%22view%22:%22scan%22,%22zoom%22:0.53} [Zugriff: 21.06.2022]
Korten, Laura (2020): Gemeinsame Lernsituationen im inklusiven Mathematikunterricht. Zieldifferentes Lernen am gemeinsamen Lerngegenstand des flexiblen Rechnens in der Grundschule. Wiesbaden: Springer Spektrum. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-30648-9
Eine Antwort zu “RV08: „Eigentlich muss ich ja eh inklusiv unterrichten“ – Inklusiver Deutschunterricht als ganz normale Herausforderung”
Liebe Cara,
vielen Dank für deinen interessanten Blogbeitrag.
Anknüpfen möchte ich zuerst an deine Praxiserfahrung. Ironischerweise habe ich das gleiche in einer ersten Klasse erlebt. Die Aufgaben waren vielfältig, jedoch nicht differenziert für lernschwächere oder leistungsstärkere Schüler*innen. Deine Vorschläge zum Erreichen eines lerndifferenzierteren Unterrichtes unterstreichen meiner Meinung nach einen wichtigen Aspekt der Inklusion: eine positive, gemeinschaftliche Atmosphäre zu schaffen um alle Schülerinnen und Schüler zu inkludieren. Durch das von dir beispielsweise beschriebene kooperative Lernen kann genau diese Atmosphäre erreicht werden.
Deine Frage ,,wie kommuniziere ich die besondere Rolle der Kinder mit der Klasse’’ finde ich besonders spannend. Persönlich finde ich es wichtig, Unterschiede zu erkennen – den sie verschwinden nicht, nur weil wir sie nicht ansprechen. Unterschiede zu erkennen ist wichtig, um jedem Kind nach seinen individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Die Stiftung ,,Aktion Mensch’’ und der Carlson Verlag bieten beispielsweise mit ihrer Buch-Reihe ,,Die Bunte Bande’’ einen Weg, um Inklusion spielerisch zu erklären und in den Unterricht mit einzubauen. Die Themen der Bücher reichen von Mobbing, Sozialen Ungleichheiten, Freundschaft, bis zum Leben mit Behinderung und begleiten die Protagonisten in ihrem Alltag.
In der Sektion ,,Inklusives Material’’ auf der Homepage von ,,Aktion Mensch’’ finden sich viele verschiedene Impulse, um Inklusion im Unterricht zu thematisieren. Der Abschnitt ,,Anderssein – Vielfalt, Vorurteile, Inklusion’’ stellt mehrere zusammenhängende Module vor, die Inklusion behandeln, mit vorgefertigten Materialien, die Lehrkräfte direkt übernehmen können.
Quellen:
Aktion Mensch https://www.aktion-mensch.de/inklusion/bildung/impulse/inklusion-material/bunte-bande?gclid=Cj0KCQjwntCVBhDdARIsAMEwACnYEbhuYkqv_kMpsa_jyfNxSC8CxClBDczxydVt2gmsgCk06kn2_OUaAuAeEALw_wcB [Letzter Zugriff: 23.06.2022]
Aktion Mensch https://www.aktion-mensch.de/inklusion/bildung/impulse/inklusion-material/impulse-anderssein [Letzter Zugriff: 23.06.2022]