Erziehungswissenschaftliche Grundlagen und Konzepte im Umgang mit soziokultureller Heterogenität


Nach den Erinnerungen an meine Schulzeit wurde dort keine konzeptionelle rassismuskritische, oder Diversitäts- bzw. Heterogenitäts-berücksichtigende Bildung verfolgt und auch nach einem Nachlesen des Schulkonzeptes meiner Schule war dies nicht erkennbar. Da ich auch bei außerschulischen Freizeitangeboten nicht bewusst mit dem Thema in Kontakt gekommen bin, habe ich mich für diesen Beitrag auf eine aktuelle, mit dem Bremer Bildungssystem verknüpfte Maßnahme konzentriert. Gemeint ist der Bremen-Pass. Über die Schule meines Orientierungspraktikums sowie über die Arbeit als Nachhilfelehrerin habe ich dieses Programm kennengelernt.

Der Bremen-Pass ist eine Karte, welche den Bewohner*innen Bremens ausgestellt wird, die die „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ (bremen.de 2022), „Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ (ebd.) oder „Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Kriegsopferfürsorge“ (ebd.) erhalten sowie Einwohner*innen, die über das Asylbewerbergesetz berücksichtigt sind, oder Wohngeld und/ oder einen Kinderzuschlag bis zum vollendeten 25. Lebensjahr erhalten (vgl. ebd.). Das Ziel des Bremen-Passes ist, die soziale und kulturelle Teilhabe sozial-benachteiligter Einwohner*innen zu stärken. Hierfür bekommen Inhaber*innen des Bremen-Passes bspw. ermäßigten Eintritt zu Kulturveranstaltungen, Museen oder können vergünstigte sowie kostenfreie Angebote der VHS nutzen. Außerdem wird ein ÖPNV-Ticket mithilfe des Bremen-Passes  preiswerter (vgl. ebd.). Speziell für Kinder- und Jugendliche gilt die Versorgung mit einem kostenlosen oder vergünstigten Mittagessen in Bildungsinstitutionen, die Übernahme von Kosten für Schulausflüge oder Klassenfahrten sowie die Finanzierung von Lernförderung und Freizeitangeboten wie dem Beitritt in einem Sportverein oder Musikunterricht (vgl. ebd.). Die Senatskanzlei der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport äußerte sich im Jahr der Einführung des Passes zu dessen Zielen. Der Bremen-Pass solle einen langfristigen „Rahmen dafür bieten, dass Armut in Bremen weniger ausgrenzend wirkt“ (Die Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport – Senatskanzlei 2015) und einen Beitrag zur Vermeidung von Diskriminierung leisten (vgl. ebd.). Dies sei sogar im Format des Passes verankert. Da er einer Kundenkarte im Scheckkartenformat gleiche, würde er einen offiziellen und nicht negativen Ausdruck haben (vgl. ebd.).

Das Modell der Diversity Education trifft auf dieses Programm am ehesten zu, weil es sich beim Bremen-Pass um ein langfristiges Programm handelt, welches Kinder bis zum 25. Lebensjahr begleiten kann und die Lernenden sowie deren Eltern betrifft, indem sie finanziell insbesondere bezüglich der Bildung unterstützt werden (vgl. bremen.de 2022) (dies widerspricht der Ausländerpädagogik). Die Förderung erfolgt ohne die Fokussierung von Differenzen, weil der Pass zwar mit dem Bewusstsein über das Bestehen sozialer Benachteiligung entstanden ist (Argument für die Interkulturelle Pädagogik) und dieser entgegenwirken soll, dies allerdings über die Förderung von Gemeinsamkeiten geschieht. So soll z.B. mithilfe des Zugangs zu kostenfreien Bildungsangeboten allen eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht werden (Merkmal der Diversity Education). Das Programm erkennt Diversität als Normalität an, indem es auf alle Menschen zugeschnitten ist. Es geht indirekt gegen Diskriminierung vor, weil gegen einen gesellschaftlichen Ausschluss gearbeitet und die Chancengleichheit erhöht wird (Merkmale der Diversity Education) (vgl. Fantini 2022: Folien 8-9).

Soweit ich im Praktikum und während der Nachhilfe mitbekommen konnte, werden die Angebote des Bremen-Passes genutzt. In der Schule meines Praktikums z.B. bekamen dadurch alle Kinder ein Frühstück oder konnten am Schwimmunterricht teilnehmen. Es kam zu keinem Ausschluss der Kinder ohne Frühstück, ganz im Gegenteil, wenn etwas vom gestellten Frühstück übrig war, wurde mit anderen geteilt. Viele meiner Nachhilfe-Schüler*innen können aufgrund des Passes kostenfrei an der Nachhilfe teilnehmen. Meinen Erfahrungen nach wird das Angebot rege genutzt und die Kinder erscheinen regelmäßig zur Nachhilfe.

Für kommende Praktika würde sich eine situative Beobachtung eignen, bei welcher es z.B. um das Einsammeln von Geld für Schulausflüge oder Lehrmaterialien geht. Hier könnte man beobachten, wie die Lehrkraft agiert, ob bspw. der Besitz eines Bremen-Passes verschwiegen wird oder ob offen damit umgegangen wird. Man könnte auch die betroffenen Kinder daraufhin beobachten, wie sie sich in solchen Situationen verhalten. Ein weiterer Aspekt wäre zu schauen, inwiefern Lehrmaterialien oder Aktionen wirklich finanziell abgedeckt werden.

Generell halte ich das Konzept des Bremen-Passes für eine sehr gute Lösung, sozialer Benachteiligung, insbesondere im Bereich der Bildung, entgegen zu wirken, einen Gemeinschaftsgedanken zu stärken und so der Diskriminierung von Menschen entgegen zu wirken. Daher könnte der Bremen-Pass auch als Vorbild für andere Bundesländer dienen. Man könnte nach dem Bremer Vorbild betroffenen Kindern- und Jugendlichen eine kostenfreie Bildung ermöglichen und Angebote wie die Finanzierung von Schulausflügen oder Freizeitangeboten schaffen. Dies könnte deutschlandweit zur Förderung von Chancengleichheit und der Integration aller in die Gesellschaft von Anfang an beitragen, Diskriminierung minimieren und so auch Rassismus entgegenwirken.

 

Quellen:

Bremen.de (2022): Bremen-Pass.[online] https://www.bremen.de/leben-in-bremen/bremen-pass [Zugriff: 05.05.2022]

Die Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport – Senatskanzlei (2015): Bremen-Pass – Senat beschließt Einführung – Sozialen Zusammenhalt stärken. [online] https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/bremen-pass-senat-beschliesst-einfuehrung-sozialen-zusammenhalt-staerken-125390 [Zugriff: 05.05.2022]

Fantini, Christoph (2022): Fokus: Soziokulturelle Heterogenität – Erziehungswissenschaftliche Perspektiven (Ringvorlesung SoSe 2022 des Moduls Umgang mit Heterogenität in der Schule (BiPEb))


Eine Antwort zu “Erziehungswissenschaftliche Grundlagen und Konzepte im Umgang mit soziokultureller Heterogenität”

  1. Liebe Cara Ronja,

    erst einmal finde ich gut, dass du deine eigenen Erfahrungen ausführlich mit in den Blog eingebracht hast.
    Bei mir war es zum Beispiel anders als bei dir. In meiner Schule gab es regelmäßig Projekttage zum Thema ,,Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. An diesen Tagen kamen Besucher von außerhalb zu uns in die Klassen, um Workshops und Vorträge zu verschiedenen Themen anzubieten.
    Nun zum Thema Bremen-Pass:
    In der Klasse meines kleinen Bruders gab es auch einige Schüler*innen, die einen Bremen-Pass besaßen. Ich finde die Idee, allen Bremer*innen unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten, die gleiche soziale und kulturelle Teilhabe zu ermöglichen prinzipiell gut (bremen.de 2022). Mir ist jedoch aufgefallen, dass nur wenige in seiner Klasse einen solchen Pass besaßen & diese den anderen Mitschüler*innen gegenüber deutlich im Vorteil gewesen sind. Denn auch Familien ohne Anspruch auf den Bremen-Pass hatten teilweise Probleme, für Ausflüge, etc. aufzukommen.
    Ich bin dennoch deiner Meinung, dass das Konzept des Bremen-Passes eine gute Lösung darstellt, sozialer Ungleichheit entgegenzuwirken.
    Deine Idee in den nächsten Praktika situative Beobachtungen vorzunehmen finde ich sehr geeignet. Eine weitere Möglichkeit sehe ich aber auch im Austausch mit einzelnen Eltern, z.B. in Form von Interviews oder Ähnlichem. Das ist aber natürlich deutlich umständlicher, führt aber mit Sicherheit auch zu interessanten Erkenntnissen.
    Insgesamt finde ich deinen Beitrag sehr gelungen.

    Quelle:
    bremen.de (2022). Bremen-Pass. https://www.bremen.de/leben-in-bremen/bremen-pass. letzter Zugriff: 08.05.2022

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