1. Erläutern Sie das in der Vorlesung thematisierte Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule. Nehmen Sie dafür Bezug auf die in der Vorlesung genannten theoretischen Ansätze.
Inszenierungen und Zuschreibungen liegen meistens weit auseineander. Wie sich ein*e Schüler*in selbst inszeniert ist individuell verschieden und nicht genderabhängig, im Gegensatz zu Zuschreibungen, die meist einem bestimmten Geschlecht zugeordnet werden. In der Schule wird z.B. den männlichen Schülern zugeschrieben, dass sie lernfaul, unordentlich, sportlich oder in naturwissenschaftlichen Fächern gut sind. Mädchen hingegen sind die fleißigen, ruhigen und gut in Deutsch. Diese Zuschreibungen kommen aus der Gesellschaft, also auch von Lehrer*innen. Es ist also wichtig als Lehrer*in nicht diesen Zuschreibungen zu folgen, sondern jede*n Schüler*in individuell zu betrachten und die Selbstinszenierung wahrzunehmen. Hierbei können Zuschreibungen und Inszenierung teilweise auch übereinstimmen, wenn sich der/die Schüler*in an die Zuschreibungen anpasst.
Wichtig ist also das Lehrer*innen versuchen genderneutral zu unterrichten, um diese Zuschreibungen zu überwinden.
2. Reflektieren Sie ihre bisherigen Praxiserfahrungen aus der eigenen Schulzeit und ersten Praktika zum schulischen „Genderplay“, möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion.
Aktuell bin ich neben dem Studium an einer Bremer Grundschule als Werkstudent beschäftigt. Im Unterricht begegnen einem Situationen, die man selber aus der eigenen Schulzeit kennt, aber auch neue Verhaltensweisen von Schüler*innen, die einem nicht bekannt sind. Schülerinnen, die im Deutschunterricht viel weiter sind als ihre männlichen Mitschüler, oder Schüler, die im Matheunterricht weiter sind als die weiblichen Mitschüler. Aber auf die breite Masse an Schüler*innen trifft dies nicht zu. Diese breite Masse kann sich natürlich beim Übergang in die Sekundarstufe weiter aufteilen und die Abstände im Bereich der Leistung genderspezifisch noch vergrößert werden. Oft habe ich im Deutschunterricht männliche Schüler beobachtet, die gelangweilt aus dem Fenster starrten. Wenn man diese Schüler ansprach, bekam man die Antwort, das Deutschunterricht nur etwas für die Mädchen sei. Selbst im Grundschulalter treffen die gesellschaftlichen Zuschreibungen also zumeist schon zu, trotz genderneutralem Unterricht.
Betrachte ich rückblickend meine eigene Schulzeit fällt auf das vor allem Sportlehrer männliche Schüler bevorzugt haben, da diese ihrer Meinung nach deutlich bessere Leistungen erbrachten.
Die individuelle Betrachtung von Schüler*innen ist also ein wichtiges Element im Berufsbild der Lehrkraft. Denn neben dem Geschlecht fließen viele weiter Heterogenitätsfelder in das Verhalten von Schüler*innen ein.
3. Formulieren Sie eine Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika zum Thema „gendersensible Pädagogik“, auch hier möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion, um deutlich zu machen, dass die Kategorie Gender nicht für sich steht, sondern andere Dimensionen von Heterogenität oftmals wesentlich mit beeinflusst.
Wie behandelt die Lehrkraft Schüler*innen mit besonderem soziokulturellen Background im Klassenverbund? Gibt es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Schülern?
Eine Antwort auf „RV09“
Lieber Lukas,
ich finde, dass du das Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung treffend erläutert hast, allerdings würde ich deiner These widersprechen, dass Selbstinszenierung nicht genderabhängig sei.
Ich bin natürlich auch der Ansicht, dass SuS nicht über ihr Geschlecht definiert werden dürfen, allerdings stellt gerade das Gender, welches ja die Geschlechtsidentität einer Person festlegt doch einen wichtigen Teil der Selbstinszenierung von Schülerinnen und Schülern dar.
In Aufgabe zwei gehst du auf einen Punkt ein, den ich sehr interessant finde. Die beschriebene Situation des Schülers, der Deutsch als „etwas für die Mädchen“ abstempelt wirft bei mir nämlich die Frage auf, wie er zu dieser Folgerung gelangen konnte.
Ist ihm aufgefallen, dass Mädchen verhältnismäßig mehr Interesse am Deutschunterricht zeigen als Jungen oder hat er sich vielleicht einfach Äußerungen von Familienmitgliedern oder Lehrpersonal angeschlossen, die zu solch einer Aussage führen konnten.
Des Weiteren finde ich an diesem Beispiel interessant, dass von Äußerungen wie „das ist was für Mädchen“ und „das ist was für Jungen“ auch in meinem Schulalltag oftmals Gebrauch gemacht worden ist und dass diese Aussagen von den Lehrkräften meist als valide Entschuldigung für das Desinteresse von Schülerinnen oder Schülern an einem bestimmten Fach oder einem bestimmten Thema gewertet wurden.
Das halte ich selbstverständlich für einen großen Fehler, denn wenn (und das kam wie gesagt erschreckend selten vor) eine Lehrerin oder ein Lehrer dann genauer gefragt hat, was genau denn für die Schülerinnen oder Schüler so abschreckend an dem Fach oder Themenbereich sei, dann konnten sie dies fast nie in Worte fassen und mussten zugeben, dass der einzige verschreckende Aspekt an der Sache der war, dass vorwiegend das andere Geschlecht Interesse daran zeigte.
Deine Idee, nach einer Kausalität zwischen der Behandlung von SuS mit unterschiedlichem soziokulturellen Background durch die Lehrkräfte und dem Geschlecht ebendieser SuS zu suchen, finde ich sehr interessant und regt mich dazu an, auch in meinem Orientierungspraktikum die Augen nach Auffälligkeiten in diesem Bereich offen zu halten.
LG Anne