1. Greiner (2019) formuliert verschiedene Dilemmata, die mit der Forderung nach Inklusion an den Schulen verbunden sind. Nehmen Sie zu dreien Ihrer Wahl Stellung.
Kategorisierungsdilemma:
Inklusives und adaptives Lernen fordert Individualdiagnostik und Individualförderung. Dies steht im Gegensatz zur inklusiven Bildung. Die Schüler*innen werden kategorisiert, d.h. nach ihren Lerneigenschaften geordnet. Im inklusiven Unterricht soll es allerdings nicht so sein. Hier sollen alle Schüler*innen gleich behandelt und gleich unterrichtet werden. Fokussiert man sich also zu stark auf eine/n Schüler*in wird das inklusive Bildungsschema verletzt. Es muss also eine Lösung gefunden werden in der Individualdiagnostik und Individualförderung im Unterricht für alle gleichermaßen angewendet wird.
Autonomiedilemma:
Selbstständiges Lernen und selbstständiges Arbeiten von Schüler*innen ist ein wichtiger Faktor im Verlaufe der Schulbildung. Allerdings entsteht dadurch auch ein Problem, da Schüler*innen unterschiedlich selbstständig agieren können. Hierbei kommt es dazu, dass stärkere Schüler*innen besser autonom arbeiten und lernen können als schwächere Schüler. Es entsteht eine noch größere Kluft zwischen den starken und schwachen Schülern. Aktuell kann man dies auch in der Corona-Krise beobachten. Schüler*innen aus einem (leistungs-)starken Haushalt können in der Quarantäne Zeit besser autonom arbeiten und lernen als Schüler*innen aus (leistungs-)schwachen Haushalten. Dieses Dilemma muss gelöst werden damit allen Schüler*innen autonomes Arbeiten und Lernen ermöglicht wird denn dieses ist mit Blick auf die Arbeitswelt sehr wichtig.
Differenzstärkungsdilemma:
Schüler*innen nehmen die Heterogenitäten der anderen Schüler*innen wahr. In inklusiven Klassenverbunden wird diese Wahrnehmung noch verstärkt. Denn es wird mit der Inklusion von Schüler*innen direkt impliziert, dass diese Schüler*innen andere Leistungen erbringen und andere Verhaltensweisen haben. Hierdurch können dann Probleme entstehen, dass potentiell schwächere Schüler*innen von ihren Mitschüler*innen beschämt oder abgewertet werden. Hier ist wieder ein großer Widerspruch gegenüber dem inklusiven Bildungswunsch zu sehen. Denn dort sollen alle Schüler*innen gleich akzeptiert werden.
2. Die Vermittlung und Reflexion der deutschen Sprache ist nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichts, sondern fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip. Wo sehen Sie in Ihrem (ggf. zweiten) Fach Möglichkeiten, um
a) Vielsprachigkeit als Ressource zu nutzen,
b) gendersensibel Unterrichtsgegenstände auszuwählen und Aufgaben zu konstruieren.
a) Vielsprachigkeit kann in vielen Fächern als Ressource genutzt werden. Zum Beispiel im Chemieunterricht gibt es viele Elemente die aus den unterschiedlichsten Sprachen hergeleitet werden können. Auch andere chemische Fachbegriffe sind aus den verschiedensten Sprachen abzuleiten. Hier kann die Vielsprachigkeit gut als Ressource genutzt werden.
b) Im gendersensiblem Unterricht ist es notwendig möglichst geschlechtsneutrale Aufgabenstellungen zu verfassen. Hierbei sollte vor allem nicht auf Stereotypen zurückgegriffen werden. Im Mathematikunterricht sollten vor allem Textaufgaben geschlechtsneutral verfasst werden. Auch für die Auswahl von Unterrichtsgegenständen sollte es möglich sein geschlechtsneutrale Themen und Aufgaben auszuwählen.
Eine Antwort auf „RV 08“
Hallo lieber Lukas,
im Endeffekt weisen alle von dir ausgesuchten Dilemmata darauf hin wie wichtig die Rolle der Lehrer beim Umgang mit Heterogenität und der damit verbundenen Inklusion an Schulen ist. Zum Kategorisierungsdilemma sagst du dass eine Lösung gefunden werden muss in der Individualdiagnostik und Individualförderung im Unterricht für alle gleichermaßen angewendet wird. Ich stimme dir da zu, ich denke gerade bei dem Punkt ist es wichtig Vorarbeit zu leisten und ggf. mit Erziehungsberechtigten, Pädagogen/ Erziehern die bereits mit den Schüler_Innen gearbeitet haben zu befragen, sowie mit den Schüler_Innen selbst zu sprechen um sie besser kennenzulernen.
Zum Differenzstärkungsdilemmata möchte ich nur anfügen, dass die Wahrnehmung der ‚Unterschiedlichkeit‘ durchaus auch einen positiven Effekt haben kann. Kinder lernen u.a. durch Nachahmung und Ausprobieren. Positive Rollenvorbilder zu haben kann einen Lernprozess fördern. Allerdings glaube ich dass hier eine enorme Sensibilität für die Gruppe und ihre Dynamik erforderlich ist. Wenn sich einzelne, Leistungsschwächere Schüler_Innen als Teil der ganzen Gruppe verstehen, kann es einen positiven Effekt auf den Lern- und Entwicklungsprozess haben. Sind jedoch einzelne Schüler_Innen exkludiert führt dies sicherlich zu der von dir geschilderten Abwertung.
Zum Punkt 2.a
Mir als fachfremde Person wäre nicht eingefallen, dass man im Chemieunterricht z.B. verschiedene Elemente aus unterschiedlichen Sprachen herleiten kann. Ich studiere die Fächer Englisch und Spanisch, da ist es ein immenser Zugewinn wenn Schüler_Innen mehr als eine Sprache sprechen und verstehen. Allein dass das Konzept der Mehrsprachigkeit in den Fällen bereits von klein auf fest in den Köpfen der Schüler_Innen verankert ist, erleichtert den weiterführenden Sprachunterricht ungemein.
Zu Punkt 2.b
Auch hier finde ich es interessant das Fach Mathe im Hinblick auf Gendersensibilität zu betrachten. Da du Textaufgaben erwähnst habe ich mir spontan die Mathehefte meines Sohnes (1. Klasse, MiniMax Reihe, Klett Verlag) angeschaut. Erfreulicherweise sind die sehr geschlechtsneutral aufgebaut, es geht um alltagsrelevante Situationen und Gegenstände ohne konkreten Fokus auf ein Geschlecht.
Bei Spanisch und Englisch kann ich mir vor allem im Bereich Literatur eine gendersensible Auswahl vorstellen. Es gibt eine große Bandbreite an Literatur die Freude am Lesen jenseits von Rollenklischees und spezifischen ‚Mädchen‘ oder ‚Jungs‘ Büchern verbreitet. Der Verein klische*esc e.V. z.B. stellt auf seiner Website (https://klischeesc.de/, 15.06.20) z.B. Medienkoffer zusammen um interessierten Pädagogen, Lehrer, Erzieher, etc. eine klischeefreie Vielfalt in Kinderbüchern näherzubringen.