Autor: Elisa

Beobachtungsprotokoll – RE9

Am Freitag den 10.11.23 bin ich von 7:55 bis 8:55 mit der RE9 Richtung Osnabrück, ab Bremen Hbf gefahren.
Als ich eingestiegen bin, war es um mich herum sehr leer, weshalb es einfach war einen Sitzplatz zu finden. In der oberen Etage waren auf beiden Seiten parallel zum Gang jeweils vier Sitzplätze, dahinter fingen rechts und links immer Doppel-Sitzplätze, orthogonal zum Gang, an. Um auch einen guten Blick auf den unteren Bereich zu haben, habe ich mich zuerst auf die linke Seite auf den Platz direkt an die Treppe gesetzt. Später habe ich mich auf den Sitz schräg gegenüber, also auf die rechte Seite am weitesten weg von der Treppe, gesetzt.

In Bremen sind mit mir ca. vier weitere Leute eingestiegen. Die meisten hatten nur eine kleine Tasche dabei, nur eine Person hatte einen kleinen Koffer.
Da die Regionalbahnen nur kürzere Strecken fahren und es recht früh morgens war, lässt sich vermute, dass einige der Personen vielleicht zur Arbeit gefahren sind. Da es Freitag war, sind die wenigen Personen mit etwas mehr Gepäck vielleicht auch übers Wochenende in einen nahe gelegenen Ort gefahren, oder hatten vor später noch umzusteigen.
Die meisten Personen sind alleine rein gekommen und haben sich auch alleine hingesetzt. Sie beschäftigen sich mit sich selber, z.B. aßen sie, schrieben in ein Notizbuch, oder benutzen ihr Handy. Es gab wenig Interaktion zwischen den einzelnen Personen, abgesehen von zwei weiblich gelesenen Personen, die sich gegenüber auf einem Vierer-Sitz saßen, und sich kurz unterhalten haben. Nachdem die eine Person an einer Haltestelle ausgestiegen war, hat die andere Person sich hektisch zurecht gemacht – einen Pullover drüber gezogen, die Haare gebürstet und ihre Sachen sortiert.
Sie wirkte sehr nervös, weshalb sich vermuten lässt, dass sie vielleicht zu einem wichtigen Termin, wie z.B. einem Bewerbungsgespräch auf war, vorallem da sie anscheinend gut aussehen wollte – vielleicht für einen guten ersten Eindruck.
Die einzigen zwei Personen die zusammen gekommen sind, haben sich in hauptsächlich leiser Lautstärke unterhalten und u.a. über die Uni und Veranstaltungen geredet.
Aus ihrem Gespräch ließ sich vermuten, dass es zwei Studierende waren.
Später sind noch zwei männlich gelesene Personen mit gelben Jacken auf denen ‚DB Sicherheit‘ stand durch den Wagen gelaufen. Die meisten Personen haben kurz geguckt, sich aber nicht weiter für die interessiert.

Insgesamt war es, abgesehen von den Zuggeräuschen, sehr leise, mit wenig Interaktion zwischen den Personen. Die meisten wirkten außerdem recht entspannt und ruhig

Vielleicht gründe ich morgen eine Schaf-Farm

Letzte Woche haben wir in einer Vorlesung über Fremde gesprochen, und ob wir uns fremd fühlen würden. Ich habe vorher nie so darüber nachgedacht, weil ich es glaube ich als selbstverständlich angesehen habe, dass alles hier fremd sein wird. Nicht unbedingt auf eine negative Art und Weise,  sondern einfach…als neutraler Zustand. Am Anfang war es etwas überwältigend alles neu kennen lernen zu müssen und vorallem auch, so viele neue Leute zu treffen, aber es ist auf eine gewisse Art und Weise auch sehr aufregend. Neue Freunde finden, neue Hobbys ausprobieren, vielleicht ein neues Lieblingscafé finden (ich bin immernoch auf der Suche, also nehme ich gerne Empfehlungen entgegen)! Allerdings ist es gleichzeitig manchmal auch sehr demotivierend, wenn bestimmte Dinge nicht so klappen oder sind, wie man es sich vielleicht gedacht hat. Und auch, wenn sich einige Dinge schon seltsam vertraut anfühlen – der Supermarkt um die Ecke, meine Bushaltestelle, oder meine WG-Küche – brauche ich morgens doch immer noch einen kurzen Moment um zu wissen wo ich bin.

Vor ein paar Tagen, hatte ich einen sehr merkwürdigen out-of-body Moment mit der Realisation, dass mein Leben wirklich meins ist. Dass ich alles entschieden kann, egal ob gut oder schlecht, das machen kann was ich möchte – oder auch nicht was ich nicht möchte. Und dass ich die Verantwortung dafür habe (kann man es glauben, für mein ganzes eigenes Leben!?). Denn am Ende betrifft es in den meisten Fällen doch dann nur mich.

Ich könnte zum Beispiel morgen entscheiden, nach Neuseeland auszuwandern. Oder eine Hütte in einem Wald zu bauen und ein Einsiedler Leben führen (zumindest wenn ich wüsste, wie man eine Hütte baut, aber dieses Detail ignorieren wir bitte einmal kurz). Und selbst, wenn ich morgen nicht entscheiden sollte einer Sekte beizutreten oder eine Schaf-Farm zu gründen, sondern vielleicht einfach nur, ob ich an meinem freien Nachmittag lieber einen Kuchen backen, oder dieses eine Buch lese, oder einen online Kurs zum Hütten bauen mache, fühlt es sich schon manchmal wie eine große Aufgabe an sich zu überlegen, was man mit seinem Leben oder zumindest seiner Freizeit erstmal anfangen möchte, was einem wichtig ist, oder mit welchen Menschen man seine Zeit verbringen will.

Denn ich habe festgestellt, dass es zwar gar nicht so schwer ist, sich wie bei einer kleinen Pflanze um all seine Grundbedürfnisse zu kümmern, aber alles drum herum sich manchmal sehr groß anfühlen kann – für so eine kleine Pflanze.