Letzte Woche haben wir in einer Vorlesung über Fremde gesprochen, und ob wir uns fremd fühlen würden. Ich habe vorher nie so darüber nachgedacht, weil ich es glaube ich als selbstverständlich angesehen habe, dass alles hier fremd sein wird. Nicht unbedingt auf eine negative Art und Weise, sondern einfach…als neutraler Zustand. Am Anfang war es etwas überwältigend alles neu kennen lernen zu müssen und vorallem auch, so viele neue Leute zu treffen, aber es ist auf eine gewisse Art und Weise auch sehr aufregend. Neue Freunde finden, neue Hobbys ausprobieren, vielleicht ein neues Lieblingscafé finden (ich bin immernoch auf der Suche, also nehme ich gerne Empfehlungen entgegen)! Allerdings ist es gleichzeitig manchmal auch sehr demotivierend, wenn bestimmte Dinge nicht so klappen oder sind, wie man es sich vielleicht gedacht hat. Und auch, wenn sich einige Dinge schon seltsam vertraut anfühlen – der Supermarkt um die Ecke, meine Bushaltestelle, oder meine WG-Küche – brauche ich morgens doch immer noch einen kurzen Moment um zu wissen wo ich bin.
Vor ein paar Tagen, hatte ich einen sehr merkwürdigen out-of-body Moment mit der Realisation, dass mein Leben wirklich meins ist. Dass ich alles entschieden kann, egal ob gut oder schlecht, das machen kann was ich möchte – oder auch nicht was ich nicht möchte. Und dass ich die Verantwortung dafür habe (kann man es glauben, für mein ganzes eigenes Leben!?). Denn am Ende betrifft es in den meisten Fällen doch dann nur mich.
Ich könnte zum Beispiel morgen entscheiden, nach Neuseeland auszuwandern. Oder eine Hütte in einem Wald zu bauen und ein Einsiedler Leben führen (zumindest wenn ich wüsste, wie man eine Hütte baut, aber dieses Detail ignorieren wir bitte einmal kurz). Und selbst, wenn ich morgen nicht entscheiden sollte einer Sekte beizutreten oder eine Schaf-Farm zu gründen, sondern vielleicht einfach nur, ob ich an meinem freien Nachmittag lieber einen Kuchen backen, oder dieses eine Buch lese, oder einen online Kurs zum Hütten bauen mache, fühlt es sich schon manchmal wie eine große Aufgabe an sich zu überlegen, was man mit seinem Leben oder zumindest seiner Freizeit erstmal anfangen möchte, was einem wichtig ist, oder mit welchen Menschen man seine Zeit verbringen will.
Denn ich habe festgestellt, dass es zwar gar nicht so schwer ist, sich wie bei einer kleinen Pflanze um all seine Grundbedürfnisse zu kümmern, aber alles drum herum sich manchmal sehr groß anfühlen kann – für so eine kleine Pflanze.
Genau. Von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter haben meine Familie und die Gesellschaft meinen Wachstumsweg bestimmt: wann ich zur Schule gehe, was ich in der Schule lerne, welche Aufgaben erledigt werden müssen usw. Erst als ich anfing, allein zu leben, hatte ich das Gefühl, dass ich die volle Kontrolle über mein Leben hatte. Wenn ich nicht in den Supermarkt ginge, um Lebensmittel zu kaufen und für mich zu kochen, dann würde ich hungern. Ich kann wählen, ob ich zu Hause bleibe und ein Buch lese oder rausgehe und reise. Ich bin finanziell für mich selbst verantwortlich und kann nicht zu viel ausgeben. Ich kann meine Gegenwart und Zukunft planen. Auch wenn wir alle in einer Gesellschaft leben, die aus unzähligen Menschen besteht, und versuchen müssen, uns an die Regeln der Gesellschaft anzupassen, Ich habe immer noch ein gewisses Maß an Freiheit und Wahlmöglichkeiten. Das macht mich manchmal unruhig, aber ich denke, dass jeder Mensch ein Individuum ist und dass Einsamkeit und Selbstverantwortung die Norm im Leben sind.