Wie die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden sich auf die Leistungsfähigkeit des Teams auswirkt.
▶︎ von Leonard Pfeuffer und Daniel Schmidt
Haben Sie schonmal das Gefühl gehabt, dass Ihre Führungskraft zu Ihren Kolleg:innen eine andere Beziehung hat als zu Ihnen? Kein Wunder. Zwischenmenschliche Beziehungen sind komplex und beinhalten ein Zusammenspiel aus verschiedenen Einflüssen und Dynamiken. Doch so unterschiedlich zwischenmenschliche Beziehungen auch sind, so haben sie stets eine Gemeinsamkeit. Sie sind von Person zu Person immer individuell und einzigartig. Doch wie wirken sich diese Beziehungen auf unser Arbeitsleben aus? Und welchen Einfluss haben die individuellen Beziehungen zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft auf die Gruppendynamik? In unserem Blog wollen wir hierzu die Antworten liefern!
Was ist Ihnen bei ihrer Arbeit wichtig? Für manche ist es das Gehalt oder die Karrierechancen. Für viele gehört aber auch eine gute Beziehung zu den Kolleg:innen und der Führungskraft dazu. Und tatsächlich ist die Ausgestaltung der Beziehungen am Arbeitsplatz ein wichtiger Faktor, welcher sich auf die berufliche Leistung und den Erfolg einer Gruppe auswirkt. Dabei ist die direkte Beziehung zur Führungskraft besonders wichtig. Doch wie erfasst man die Komplexität und Qualität der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden? Hierzu wurde bereits 1970 die sogenannte Leader-Member-Exchange Theorie (LMX-Theorie) von den US-amerikanischen Wissenschaftlern George B. Graen und Mary Uhl-Bien entwickelt.
Was ist die LMX-Theorie?
Die LMX-Theorie beschreibt die wechselseitige Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. Im Gegensatz zu klassischen Ansätzen der Führungsforschung, bei denen die eigenschaftsorientierte, verhaltensorientierte oder situative Perspektive betrachtet wird, steht bei der LMX-Theorie die Qualität der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden im Fokus. Dabei geht es um die einmaligen, individuellen Beziehungen, die sich von Mitarbeitenden zu Mitarbeitenden unterscheidet. Nach den Autoren Graen und Uhl-Bien beruht die Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden dabei auf Reziprozität, also dem Prinzip von Leistung vs. Gegenleistung. Teil dieser Austauschbeziehungen können auf Seiten der Führungskraft Ressourcen, Informationen, Unterstützung und Verantwortungsübertragung und auf Seiten der Mitarbeitenden Loyalität, Arbeitseinsatz und Commitment sein. Die wahrgenommene Gerechtigkeit der Qualität der LMX-Beziehung ist hierbei relevant. Wird die Beziehung als positiv empfunden, so kann sich dies positiv auf die Leistung auswirken, während ein negatives Erleben das Mitarbeitendenverhalten auch negativ beeinflussen kann. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass die individuellen Beziehungen stets in einer (Arbeits-)Gruppe eingebettet sind und demnach nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Bestimmt haben auch Sie schon darauf geachtet, wie sich die Beziehungen von Ihnen und Ihren Kolleg:innen zur Führungskraft unterscheiden. So kann die Gruppendynamik auch davon beeinflusst werden, ob es eine hohe oder niedrige Variabilität in der LMX-Differenzierung (LMXD) gibt.
Wo befinde ich mich?
Die Qualität der Austauschbeziehung lassen sich dabei in die drei Kategorien Out-Group, Middle-Group und In-Group unterteilen. Die Out-Group ist gekennzeichnet von einer niedrigen Qualität der Beziehung, der Beschränkung auf formale Vereinbarungen (wie beispielsweise dem Arbeitsvertrag) und dem Übertragen von wenig Verantwortung an die Mitarbeitenden. Die Kategorie der Middle-Group zeichnet sich durch eine über die formalen Vereinbarungen hinausgehende Beziehung mit der Führungskraft aus. Bei der letzten Kategorie der In-Group hat die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden eine hohe Qualität der Beziehung. Führungskraft und Mitarbeitende schätzen sich auf emotionaler Ebene und haben ein enges Vertrauensverhältnis zueinander. Die Mitarbeitenden, welche sich in der Kategorie der In-Group befinden, sind mit wichtigen Aufgaben betraut und haben einen hohen Status bei der Führungskraft.
Sollten Sie sich tendenziell in der Out-Group oder Middle-Group einordnen, gibt es eine gute Nachricht. Die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden ist nicht statisch, sondern entwickelt sich dynamisch.
Wie entwickeln sich eigentlich die unterschiedlichen Beziehungen?
Die Differenzierung der LMXD kann aufgrund der Leistungsebene und aufgrund der persönlichen Sympathie stattfinden. Im Rahmen der Leistungsebene werden vor allem Fähigkeiten/Kompetenzen, Motivation und der Beitrag, den der Mitarbeitende für das Unternehmen leistet, betrachtet. Neben der Leistungsebene spielen jedoch auch persönliche Faktoren eine Rolle, da es sich bei der LMXD um eine soziale Beziehung handelt, die nicht nur auf kognitiven Prozessen beruht, sondern auch auf zwischenmenschlichen Bewertungen und Wahrnehmungen. Demnach kann die LMXD auch auf persönlichen Gefühlen, Ähnlichkeiten oder weiteren zwischenmenschlichen Einflüssen beruhen. Die persönliche Sympathie und die Leistungsebene können allerdings auch miteinander korrelieren, da aufgrund guter Leistung möglicherweise auch die Sympathie für den Mitarbeitenden steigt.
Wie wirkt die LMX-Theorie?
Es hat sich gezeigt, dass die LMXD positive, aber auch negative Auswirkungen auf Gruppenleistung und Gruppendynamik haben kann. Ein positiver Einfluss kann die selektive Verteilung von Ressourcen und Verantwortung je nach Kompetenz, Leistung oder Beitrag des Mitarbeitenden sein. Ein negativer Aspekt kann jedoch sein, wenn sich je nach Qualität der LMX-Beziehungen Untergruppen bilden. Dies kann beispielsweise zu Feindseligkeit und Konkurrenz zwischen Personen mit hoher und niedriger LMX-Beziehung führen. Die Wirkung von LMXD kann also unterschiedlich ausfallen. Aber wie kann eine möglichst positive Wirkung erreicht werden?
In der Studie von Han et al. (2021) wurden verschiedene Faktoren der LMXD betrachtet und deren Einfluss auf die Gruppendynamik und die Gruppenleistung. Zunächst wurde die Art der LMXD in die bereits zuvor erwähnten Aspekte Leistungsebene und persönliche Sympathie unterteilt. Die Annahme der Studie war, dass sich die Art der LMXD auf die Zusammenarbeit oder die soziale Untergrabung der Gruppe auswirkt. Soziale Untergrabung kann in diesem Fall Konflikte zwischen den Mitarbeitenden, Feindseligkeit, gegenseitiges schlechtmachen oder sogar ein gegeneinander arbeiten beinhalten. Der Effekt, den die Art der LMXD auf die Zusammenarbeit oder die soziale Untergrabung hat, soll von der Belohnungsabhängigkeit verstärkt werden. Mit der Belohnungsabhängigkeit ist gemeint, inwieweit erhaltene Belohnungen von der gesamten Gruppenleistung abhängig sind.
So viel zur Theorie – aber welcher Einfluss der LMX-Theorie lässt sich auch nachweisen?
Tatsächlich hat sich gezeigt, dass eine signifikant positive Beziehung zwischen LMXD und Zusammenarbeit der Gruppe besteht, wenn zu einem hohen Maß die Leistungsebene als Grundlage der LMXD dient. Weiterhin konnte bestätigt werden, dass dieser Einfluss durch eine hohe Belohnungsabhängigkeit verstärkt wird. Es konnte ebenfalls gezeigt werden, dass sich die LMXD aufgrund eines hohen Maßes an persönlicher Sympathie negativ auf die Zusammenarbeit der Gruppe und positiv auf die soziale Untergrabung auswirkt. Der letztere Effekt wird ebenfalls durch die Belohnungsabhängigkeit verstärkt.
Es zeigt sich also, dass die LMXD durchaus einen Effekt auf die Gruppendynamik in Form von Zusammenarbeit oder sozialer Untergrabung hat. Ein positiver Einfluss auf die tatsächliche Gruppenleistung konnte jedoch nur durch die verbesserte Zusammenarbeit der Gruppe herbeigeführt werden, wenn die LMXD aufgrund einer hohen Berücksichtigung der Leistungsebene vorgenommen wurde und gleichzeitig eine hohe Belohnungsabhängigkeit vorlag.
Was bedeutet das für das Berufsleben?
Die Ausgestaltung von verschiedenen Qualitäten der LMX-Beziehungen kann sich positiv auf die Gruppendynamik auswirken, wenn die LMXD aufgrund legitimer Faktoren durchgeführt wird. Das bedeutet, dass die Leistungsebene und nicht die persönliche Sympathie Grundlage der LMXD sein soll. Auf diese Weise kann die Zusammenarbeit in der Gruppe gefördert und die soziale Untergrabung vermindert werden. Außerdem wird bei einer LMXD aufgrund legitimer Faktoren das wahrgenommene Gerechtigkeitsempfinden und die Akzeptanz der verschiedenen Qualitäten der LMX-Beziehungen erhöht. Dies ist wichtig, da die LMXD auch zu einer sozialen Hierarchie führen kann, sodass Mitarbeitende mit einer hohen LMX-Qualität über mehr Macht und Status verfügen. Wenn die LMXD allerdings als ungerecht empfunden wird, kann dies wiederum zu Macht ohne Status und im Weiteren zu sozialer Untergrabung führen.
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Literatur
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Graen, G. B. & Uhl-Bien, M. (1995). Relationship-based approach to leadership: Development of leader-member exchange (LMX) theory of leadership over 25 years: Applying a multi-level multi-domain perspective. The Leadership Quarterly, 6(2), 219–247. https://doi.org/10.1016/1048-9843(95)90036-5
Han, J. H., Liao, H., Han, J. & Li, A. N. (2021). When leader–member exchange differentiation improves work group functioning: The combined roles of differentiation bases and reward interdependence. Personnel Psychology, 74(1), 109–141. https://doi.org/10.1111/peps.12415
Nerdinger, F. W. (2019). Führung von Mitarbeitern. In: F. W. Nerdinger, G. Blickle & N. Schaper (Hrsg.). Arbeits- und Organisationspsychologie (4. Aufl., S. 95-118). Springer.
Schyns, B. & Knoll, M. (2015). LMX – Leader-Member Exchange. In: J. Felfe (Hrsg.). Trends der psychologischen Führungsforschung. Neue Konzepte, Methoden und Erkenntnisse (S. 55.66). Hogrefe.
Wehrlin, U. (2016). Leader-Member Exchange (LMX) (1. Aufl.). Internationale Hochschulschriften Wirtschaft IHW: Bd. 3. EHV Academicpress.
Bildquelle
https://leanbase.de/digital-conference/latc2021-recording/talks/wie-man-fuhrt-ohne-zu-dominieren
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