▶︎ von Jill Barske, Lara Ehlting und Sascha Heitmann
Sinkende Motivation und Leistung sind ein häufig auftretendes Problem in Teams, vor allem wenn der Beitrag des:r Einzelnen nicht erkennbar ist. Sollten Gruppenarbeiten daher schon bald der Vergangenheit angehören? Nein. In der Sozialpsychologie wird dieses Phänomen schon seit langer Zeit erforscht und wir können Sie beruhigen: Es gibt Möglichkeiten, Motivation und Leistung im Team positiv zu beeinflussen.
Wir alle arbeiten häufig in Gruppen, sei es privat oder im Arbeits- und Studienkontext. Dabei gehen wir davon aus, dass mit steigender Anzahl der Beteiligten auch die Leistung steigt. Doch ist das wirklich so?
Schauen wir uns die folgende Situation an: Emma arbeitet in einer Marketingagentur und soll zusammen mit einer Projektgruppe eine Marketingkampagne für einen wichtigen Kunden entwickeln. Emma ist sehr positiv gestimmt und sich sicher, dass die Zusammenarbeit bereichernd sein wird. Grund dafür ist, dass die anderen vier Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen kommen und alle, wie sie hörte, ziemlich erfolgreich in ihrem Job sind. Auch macht sie sich keine weiteren Gedanken darüber, dass am Ende nicht ersichtlich sein wird, welchen Beitrag jedes einzelne Mitglied geleistet hat. Nach ein paar Wochen ist Emma jedoch frustriert. Die Deadline rückt immer näher und noch immer ist wenig passiert. Schon beim ersten Brainstorming, einer eigentlich einfachen Aufgabe, hatte sie das Gefühl, dass alles an ihr hängenbleibt. Einige der Gruppenmitglieder scheinen sich kaum zu beteiligen. Sie wundert sich, warum die Gruppe nicht effizient arbeitet: Sind die anderen vielleicht doch nicht so gut in ihrem Job, wie sie dachte? Oder gibt es einen anderen Grund?
Wenn Teams nicht funktionieren wollen
Mit dem Vorsatz der Sache auf den Grund zu gehen, fängt Emma an, nach Gründen für die fehlende Beteiligung ihrer Gruppenmitglieder zu recherchieren. Dabei stößt sie auf die Erkenntnis, dass das Verhältnis von Gruppenleistungen und individuellen Leistungen stark von der Art der Aufgabe abhängig ist. Tatsächlich stellt dies eine grundlegende Frage der Sozialpsychologie dar. Kommt es zu Abweichungen zwischen dem Gruppenpotenzial und der Gruppenleistung, ist dies auf Motivationsgewinne und -verluste zurückzuführen. Dabei gehen Motivationsverluste mit einer verringerten Anstrengung und Leistungserbringung der Gruppenmitglieder einher. Im weiteren Verlauf ihrer Recherche stößt sie auf die Theorie des Ringelmann-Effektes. Hierbei handelt es sich um eine unveröffentlichte Studie aus dem Jahr 1913, in der Ringelmann erste Hinweise auf einen Produktivitätsverlust in Gruppen fand. In seiner Studie ließ er acht Männer an einem Seil ziehen und erkannte, dass diese lediglich 50% der erwarteten Zugkraft erreichten. So konnte er feststellen, dass die durchschnittliche Leistung der einzelnen Gruppenmitglieder mit zunehmender Gruppengröße abnahm. Jedoch konnte nachträglich nicht bewiesen werden, ob es sich bei seinen Ergebnissen wirklich um Motivationsverluste der Gruppenmitglieder oder um eine fehlerhafte Koordinierung der Gruppe handelte. Mit dem Ergebnis noch nicht ganz zufrieden recherchiert Emma weiter und stößt schließlich auf den Begriff des Sozialen Faulenzens. Dieser entstand im Rahmen einer Studie von Latané et al. (1979), in der die Forschenden die Ergebnisse Ringelmanns nachstellen und mögliche Koordinierungsverluste ausschließen wollten. Im Zuge dessen führten Latané und seine Kolleg:innen zwei Experimente durch, in denen die Teilnehmenden alleine und in Gruppen jubeln und klatschen sollten. Mittels dessen konnten sie beweisen, dass der von der Gruppe erzeugte Lärm proportional zur Gruppengröße abnahm. Durch den Einsatz von Pseudogruppen konnte ergänzend zum Ringelmanneffekt ebenfalls bewiesen werden, dass der Prozessverlust nicht allein durch Koordinationsverluste hervorgerufen wird. Die Theorie des sozialen Faulenzens besagt also, dass Gruppenmitglieder dazu neigen sich weniger anzustrengen, wenn der individuelle Beitrag zur Gruppenleistung nicht identifizierbar ist. Dies ist vor allem bei additiven Aufgaben, wie dem Brainstorming in Emmas Projektgruppe, der Fall. Dabei handelt es sich um Aufgaben, in denen die Gruppenleistung aus der Summe der individuellen Leistungen hervorgeht.
Der Umgang mit sozialen Faulenzer:innen
Damit Emma in zukünftigen Projekten besser mit der Problematik des Sozialen Faulenzens umgehen kann, orientiert sie sich an den Ergebnissen einer Studie von Gabelica et. al. (2022). Obwohl die Stichprobe aus 200 Studierenden besteht, ist sich Emma sicher, dass die Ergebnisse auch auf ihr Team übertragbar sind. Nach der Sichtung der Studie berichtet Emma ihren Kolleg:innen von einer Auswahl der darin vorgestellten Handlungsempfehlungen, die das Aufkommen von Sozialem Faulenzen reduzieren oder sogar verhindern können. So könne Soziales Faulenzen eingedämmt werden, indem die Teamgröße dahingehend reguliert wird, dass jedes Mitglied des Teams so direkt wie nur möglich seiner erbrachten Leistung zugeordnet werden kann. Umso kleiner ein Team ist, desto leichter kann eine solche Zuordnung erfolgen. Die gemeinsamen Ziele sollten außerdem stets genau definiert sein und jedem Teammitglied bewusst gemacht werden, was sein Beitrag zur Gruppenleistung ist. So, denkt sich Emma, kann Motivation auf einem möglichst hohen Niveau gefördert werden.
In der Studie wird für Emma erkennbar, dass Soziales Faulenzen in keinem Team gleichmäßig erfolgt. Auch die sozialen Beziehungen sowie weitere Faktoren haben einen schwer messbaren Einfluss auf diese Art von Motivationsverlust. Eine der zentralen Studienerkenntnisse ist, dass Soziales Faulenzen nicht, wie lange in der Literatur angenommen, ein statisches Konstrukt ist. Vielmehr entwickelt es sich dynamisch in Gruppen und Teams und kann während Projekt- und Gruppenarbeiten verschiedenste Ausprägungen annehmen. Die Gruppenmitglieder können dadurch in unterschiedlichen Phasen ungleichmäßig stark (negativ) beeinflusst werden. Beispielsweise kann zu Beginn einer Aufgabe oder eines Projektes Soziales Faulenzen noch nicht vorkommen, bei der weiteren Bearbeitung aber unterschiedlich stark und lang bei einzelnen Teammitgliedern auftreten. Besonders aufschlussreich ist für Emma, dass Soziales Faulenzen in Teams, die ein hohes Maß an Teamlernen aufweisen, niedriger ausgeprägt auftritt als in Teams, in denen die Fähigkeit und Bereitschaft dazu weniger besteht. Teamlernen wird in der Studie definiert als die gemeinsame Weiterentwicklung der Funktionsweise des Teams und die Art, wie neues Wissen erlangt und Aufgaben bewältigt werden. Teams, die eine hohe Identifikation mit der zu bearbeitenden Aufgabe sowie dem Sinn des Teams besitzen, weisen daher eine niedrigere Tendenz zum sozialen Faulenzen auf.
Emma lässt ihre Recherche zum Sozialen Faulenzen noch einmal Revue passieren. Ihr wird deutlich, dass Gruppenarbeiten keine Selbstläufer sind, für die es ein allgemeines Erfolgsrezept gibt. Es reicht eben nicht aus, mehrere Personen mit einer gemeinsamen Aufgabe zu beauftragen und auf ein gutes Gruppenergebnis zu hoffen. Vielmehr sind Aspekte wie Teamrollen, eine konkrete Aufgabenstellung, die Teamgröße sowie eine gemeinsame Zieldefinition notwendig, um eine motivierte Zusammenarbeit zu gewährleisten.
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Literatur
Schulz-Hardt, S. & Brodbeck, F. C. (2007). Gruppenleistung und Führung. In K. Jonas, W. Stroebe & M. Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (5. Aufl. S. 443–486). Springer.
Gabelica, C., De Maeyer, S., & Schippers, M. C. (2022). Taking a free ride: How team learning affects social loafing. Journal of Educational Psychology, 114(4), 716–733.
Latané, B., Williams, K. & Harkins, S. (1979). Many hands make light the work: The causes and consequences of social loafing. Journal of Personality and Social Psychology, 37, 822–832.
Bildquelle
Bild von Thirdman via pexels.com
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