1. Welche Modelle von Behinderung sind Ihnen in Ihrer eigenen Bildungsbiografie und den schulischen Erfahrungen als angehende Lehrkraft begegnet? An welchem Zuweisungspraktiken (z.B. durch Äußerungen) machen Sie das fest?
2. Bitte reflektieren Sie die Erfahrungen mit Exklusion und Inklusion in der Bildungsbiografie der beiden Gäste (Frau Dittmann und Herr Palkowski) vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen:
Gab es Punkte in meiner Bildungsbiografie, an denen mein Bildungsweg befördert wurde? An denen er begrenzt wurde? Was spielte hierbei eine Rolle? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für mich als angehende Lehrkraft?
3. In der Vorlesung wurde auch die Perspektive von Eltern angesprochen. Bitte schauen Sie sich das Video zum Engagement von Eltern (Gespräch mit Elke Gerdes) an: https://uni-bremen.de/themen/engagement-von-eltern/:
Welche Meinung haben Sie zum Elternwahlrecht? Was sind Vor- und Nachteile?, Welche Bedeutsamkeit messen Sie der Zusammenarbeit mit Eltern bei und was sind zentrale Gelingensbedingungen?
1.
In der Oberstufe war ein Junge, der an einer Krankheit leidet, die stark dem Autismus ähnelt, jedoch kann ich seinen genauen Zustand nicht mehr benennen. Er war die meiste Zeit über still, sowohl im Unterricht, als auch in den Pausen. Seine Schwierigkeiten im Unterricht lagen somit meist in den mündlichen Bereichen. Unser Lehrer hat jedoch stets betont, dass seine Klausuren wirklich gut ausfallen würden. Bei ihm hat es länger gedauert, sich seinen Mitschüler*innen zu öffnen und überhaupt mit ihnen zu sprechen. In der 12. Klasse musste er das Jahr wiederholen, denn mündlichen Anforderungen und vereinzelte Fächer wurden nicht mehr ausreichend mit seinen Leistungen gedeckt. In seiner neuen Klasse war er die meiste Zeit alleine. Es heißt, seine Noten haben sich dadurch nicht verbessert und er sei noch unglücklicher, als zuvor. Ich weiß nicht, inwiefern ich die Entscheidungen jener Lehrer*innen verurteilen kann, die den besagten Schüler das Jahr wiederholen lassen. In Anbetracht seines Zustandes, seinen besseren schriftlichen als mündlichen Leistungen und seinen Schwierigkeiten, neue Verbindungen zu Schüler*innen und Lehrer*innen aufzubauen, kann ich hierbei das soziale Modell von Behinderung heranziehen. Ich denke, wenn man den Schüler mehr unterstütz hätte, überwiegend seine hervorragenden Leistungen zu bewerten, als solche, die für ihn gar nicht greifbar sind und ihn nicht aus seinem sicheren Umfeld „gezerrt“ hätte, hätte er seinen Bildungsweg fortführen können. Hierbei stellen die Verantwortlichen Lehrer*innen die Barriere dar, die sich gegen die Teilhabe des Schülers errichtet. (Vgl. Waldschmidt 2005)
2.
Während Frau Dittmann viele Ausgrenzungen und Einschüchterungen (selbst als Lehrkraft) erleben musste, musste Herr Palkowski diese, nicht mindestens in gleichem Maße, erleben. Nichtsdestotrotz waren die Jahre an Frau Dittmanns Grundschule sehr schön, aber vor allem integrativ, da ihre Bedürfnisse absolut berücksichtigt wurden, was auf dem Gymnasium leider nicht weitergeführt wurde. Nach dem Unfall hatte Herr Palkowski immer noch die gleichen Freunde wie zuvor, niemand hat sich von ihm abgewendet. Wenn es um den Gemeinschaftsentzug ging, war er sehr gleichgültig und ließ die Leute einfach ihren Willen durchsetzen. Er hatte nur Probleme mit seiner eigenen Motivation, sodass er die Schule nicht beenden konnte. Trotzdem fand er schnell eine Stelle als Lehrling.
In meiner Schullaufbahn wurde ich in diesem Kontext weder befördert, noch benachteiligt. Ebenso habe ich kaum diese Erfahrungen bei anderen wahrnehmen können, bis auf den bereits erwähnten Junge, aus meiner ehemaligen Klasse.
Meiner Meinung nach sollte man als Lehrer*in ein Gesamtbild der Situation haben, man sollte niemanden aus den Augen verlieren. Jedes Kind und jede*r Schüler*in verdient die Ermutigung und Unterstützung, die sie/er braucht. So ist beispielsweise das Verhalten der Lehrerin von Frau Dittmann ein absolutes Negativbeispiel, ihre Bedürfnisse wurden nicht berücksichtigt und die Hänselei ihr gegenüber ganz ignoriert. SuS sollten immer das Gefühl vermittelt bekommen, sich einer*m Lehrer*in mitteilen zu können und denen ihre Sorgen anvertrauen zu können. Ein Gespräch mit den Eltern oder der betroffenen Person kann in vielen Fällen sehr aufschlussreich sein, zum Beispiel im Hinblick auf die verschiedenen Fördermaßnahmen.
3.
Elternwahlrecht bedeutet „[…] das Recht der Eltern von Kindern mit Behinderungen […] zwischen einer inklusiven Unterrichtung an einer allgemeinen Schule und einem Unterricht an einer separierenden Sonder- oder Förderschule frei zu wählen.“ (Wocken 2017, S. 1)
Wahlfreiheit ist im Gegensatz zu Zwang immer positiv zu sehen. Das Stimmrecht der Eltern ist in diesem Zusammenhang jedoch nur dann sinnvoll, wenn der alleinige Zweck das Wohl des Kindes ist. Es gibt viele denkbare Extreme, die sowohl für als auch gegen das Wahlrecht interpretiert werden können, aber entscheidend ist für mich, dass die Eltern mit dieser Entscheidung nicht allein gelassen werden. Für Eltern und Kinder besteht ein Bedarf an geeigneten und qualifizierten Beratungsangeboten, die mit ihrem Wissen die Entscheidungsfindung zum Wohle des Kindes bei der Schulwahl unterstützen können. Natürlich kann es der Fall sein, dass die Eltern das Richtige für das Kind entscheiden, aber meist fällt es ihnen schwer, den Schulalltag der Kinder nachvollziehen zu können. Dies kann sich schließlich als Nachteil für den/die Schüler*in herausstellen. Dies zeigt einmal mehr, dass die Arbeit mit den Eltern auch für die Lehrkräfte entscheidend ist und gegenseitiges Zuhören und Unterstützung benötigt wird.