Ein Blog über Forschung im MINT-Bereich

Gestern klingt morgen besser – setze der Prokrastination ein Ende!

Von Karoline Huneke

Keine Ausrede mehr: ein klares Zeitmanagement und selbst gesetzte Fristen können helfen.

Bei manchen ist sie zu Gast, anderen wird sie ein steter Begleiter und nur die Glücklichsten kommen um eine Begegnung mit der Prokrastination im Verlauf ihres Studiums ganz herum. Aber was ist diese Prokrastination? Eines der unter Studierenden best bekannten und zugleich meist verhassten Fremdwörter? Vielleicht sogar eines der häufigsten Hindernisse auf dem Weg zu einem guten und vorausschauenden Zeitmanagement und schließlich auch zu besseren Noten?

Schauen wir uns mal das Wort an und erinnern uns, sofern wir welchen hatten, an unseren Lateinunterricht. Prokrastination, die. Das Präfix pro kennen wir, klar, sogar ohne in unliebsame Erinnerungen abzutauchen. Und crastinum bedeutet, so will es manchen von uns eine düstere Vermutung im letzten Winkel unseres Gedächtnisses weismachen, der Morgen. Ergibt Sinn, denn Duden umschreibt, was der Volksmund gerne Aufschieberitis schimpft, galant als „das Verschieben, Aufschieben von anstehenden Aufgaben, Tätigkeiten“ auf morgen oder weiter in die Zukunft.

Die Forschung hat sich seit den 1990er Jahren dem Phänomen der Prokrastination gewidmet. Die Besonderheiten des Phänomens im Hochschul- und Universitätskontext blieben dabei jedoch meist außen vor. Das Besondere an der sogenannten akademischen Prokrastination ist nämlich der leistungs- und lernbezogene Kontext, der bei der Analyse berücksichtigt werden muss [1]. Stellen wir uns eine Angestellte vor, die jedes Jahr ihre Steuererklärung bis zum Stichtag aufschiebt um sie dann am 31. Mai elektronisch auszufüllen und abzuschicken – gerade noch rechtzeitig und wohl wissend um das Risiko, dass bei einem technischen Problem eine pünktliche Übermittlung misslingen kann. Funktioniert das fristgerechte Einreichen nicht, spürt sie die Konsequenzen einmalig, aber bald. Die erwartete Steuerrückzahlung lässt auf sich warten. Im nächsten Jahr wird sie ihre Steuererklärung eine Woche vor der Frist einreichen. Denken wir nun an einen Studenten im sechsten Bachelorsemester, jedoch immer noch 80 Credit Points vom ersehnten Abschluss entfernt. Probleme, seine Hausarbeiten abzugeben, hat er seit dem ersten Semester. Mit jedem nicht abgeschlossenen Modul fällt ihm das nächste schwerer, da er substantielle Wissenslücken und -nachteile gegenüber seinen motivierteren Mitstudierenden aufweist. Beim zweiten Prüfungstermin kommen neue Fristen und Fächer hinzu, wieder wird etwas aufgeschoben. Die negativen Konsequenzen akkumulieren sich und das böse Erwachen droht am Horizont. So richtig zu spüren bekommt der Student es aber erst später. Entweder wenn ihn die Vier-Semester-Frist für Wiederholungsversuche an der Uni Bremen zur Abgabe zwingt, oder aber ein späterer Arbeitgeber im Jobinterview hartnäckige Fragen zur Studiendauer stellt und einen anderen Bewerber mit geringerer Semesterzahl auswählt.

Alles andere ist wichtiger?!: Putzen und Wäsche kennen keinen Abgabetermin.

Hat man sich die Prokrastination erst einmal angelacht, wird man sie nur schwer wieder los. Daher haftet der Aufschieberitis auch so ein negativer Ruf an. Noch so klare Vorsätze, die Hausarbeit, den Projektbericht, das Essay nun endlich zu schreiben, bleiben bloße Wünsche. Denn wäre es anders, so wäre es keine Prokrastination. Und außerdem ist die Liste anderer ach-so-wichtiger Dinge schier unendlich und will auf jeden Fall zuerst abgearbeitet werden: Putzen, Wäsche waschen, Oma anrufen… Doch je näher die Deadline rückt, desto schwieriger wird es, unserem Gewissen die Dringlichkeit dieser anderen Aufgaben glauben zu machen. Wie also raus aus der Lethargie, aus dem inneren Widerstand?Hilfreich kann es sein, sich seine Aufgabe wie ein Projekt vorzustellen, das man managen kann. Psychologie-Professor Gerald Echterhoff und Anglistik-Professorin Birgit Neumann beispielsweise schlagen vor, sich einen Plan zur Zielerreichung aufzustellen, und die zur Zielerreichung festgelegten kleinschrittigen Maßnahmen solange durchzuführen und zu modifizieren, bis sie zum Erfolg führen [2] . Durch die fortwährende Erfolgskontrolle nimmt man einerseits auch kleine Erfolge wahr und kann diese als zusätzliche Motivation nutzen, wird andererseits aber nicht völlig entmutigt, wenn ein einzelner Schritt nicht gelingt wie geplant. Außerdem schlagen sie vor, sich als zusätzlichen Anreiz Belohnungen zu überlegen. Hier sei jedoch betont, dass Belohnungen nur dann Sinn machen, wenn man sie strikt als Belohnung handhabt und keine Ausnahmen macht. Wenn ich mich also mit einem Eis am Werdersee belohnen möchte, sollte ich mir auch wirklich nur ein Eis am Werdersee gönnen, wenn ich mein Vorhaben erfolgreich umgesetzt habe, anstatt das Eis am Werdersee in einen Frustausgleich beim Scheitern meines Planes umzuwandeln.

Vor allem langfristig kann ein solches Vorgehen helfen. Durch die fortwährende Kontrolle und Reflektion lernt man, was für einen selbst gut funktioniert. So kann man bei der nächsten Hausarbeit oder dem nächsten Protokoll, schließlich aber vor allem bei der Bachelor- oder Masterarbeit nicht nur Startschwierigkeiten umgehen. Auch kann man viel Mühe und Zeit sparen. Und je kleiner der Berg an Arbeit und der Aufwand erscheint, je stärker man sich einer Aufgabe gewachsen sieht, desto geringer ist das Risiko in die Schockstarre der Prokrastination zu verfallen.

Ein einfacher Fahrplan für akute Fälle:

  1.  Schreibe auf, was du bis wann bewältigen musst.
  2. Unterteile die einzelnen Punkte in Zwischenschritte und Zwischenziele mit einzelnen Zeitvorgaben. Plane Puffer ein, jedoch nicht zu große. Schaffst du die Aufgabe ohne Puffer, freust du dich über eine verdiente Pause.
  3. Schaffe dir externe Kontrolle. Bei Abschlussarbeiten kann das beispielsweise ein Besprechungstermin mit deiner oder deinem Betreuenden sein. Das setzt einen unumstößlichen zeitlichen Fixpunkt. Ebenso hilfreich kann es sein, deinen Tag beispielsweise mit einer Kaffee- oder Frühstücksverabredung zu beginnen, die sicherstellt, dass du zeitig aufstehst und zu einer bestimmten Uhrzeit am Schreibtisch sitzt. Selbstverständlich sollte die Verabredung wissen, dass Arbeit auf dich wartet oder im Optimalfall in der gleichen Situation sein.

    Kleines, das Großes bewirkt: Manchmal schafft man schon viel mehr, wenn das Handy außer Reichweite ist.

  4.  Schaffe dir klare Zeitfenster, die allein für die Erledigung deiner Aufgaben gedacht sind. Am besten wählst du diese Zeitfenster immer zur gleichen Zeit, beispielsweise an Werktagen morgens von 10 bis 13 Uhr. Oder jeder Dienstag und jeder Donnerstag sind deine Lerntage. Durch die Regelmäßigkeit fällt es schwerer, Ausreden zu finden und leichter, andere Termine so zu planen, dass sie nicht mit deinem Schreibprojekt kollidieren. Wenn du dazu neigst, erst einmal alle anderen ausstehenden Tätigkeiten zu erledigen wie beispielsweise Putzen etc., plane auch hierfür feste Zeiträume ein. 
  5.  Bevor du wild drauflos arbeitest, picke dir realistische Zwischenziele aus Punkt 1 als Tagesziel heraus. Versuche möglichst, Tagesziele zu finden, die du auch innerhalb der dir zur Verfügung stehenden Zeit abschließen kannst . So gehst du mit einem besseren Gefühl nach Hause und es wird dir leichter fallen, deine nächste Lerneinheit in Angriff zu nehmen und abzuschließen.

All diesen Lösungsansätzen ist gemein, dass sie eines erfordern: Überwindung. Ohne sich aufzuraffen, sich selbst zu überwinden, sich Zeit zu nehmen, sich hinzusetzen und anzufangen, kann der Plan auch noch so gut sein, er wird nicht zum Erfolg führen. Denn ist der Karren erst einmal im Schlamm stecken geblieben, kann er nur durch Kraftaufwand wieder in Bewegung kommen. Also pack das Problem an, denn jeden Tag, den du zögerst, ärgerst du dich mehr. Also ärgere dich nicht länger, sondern stecke die Energie in deine Aufgabe. Denn gestern klingt morgen besser – ganz ohne schlechtes Gewissen, mit Zeit für schöne, ganz andere Dinge.

 

Hol dir externe Hilfe:

Die Uni bietet Studierenden vielseitige Möglichkeiten. Komm in die Schreibberatung der Schreibwerkstatt für MINT-Studierende, bzw. informiere dich als Nicht-MINT-Studentin oder -Student in deinem Fachbereich nach ähnlichen Angeboten. Wenn du dich längerfristig schulen möchtest, bietet die Studierwerkstatt regelmäßig Kurse zum Zeit- und Selbstmanagement an. Und wenn du schon sehr lange mit der Prokrastination kämpfst oder grundsätzlich starke Motivations- und Studienprobleme hast, kann auch psychologische Beratung vom Studentenwerk für dich eine weitere Anlaufstelle sein.

Nützliche Adressen:

https://www.uni-bremen.de/schreibwerkstatt-mint.html

https://www.uni-bremen.de/studierwerkstatt.html

https://www.stw-bremen.de/de/beratung-soziales/psychologische-beratung

 

Referenzen:

[1] Echterhoff, Gerald und Birgit Neumann 2006. Projekt- und Zeitmanagement. Strategien für ein erfolgreiches Studium. Stuttgart: Klett.

[2] Grund, Axel, Schmid, Sebastian, Klingsieck, Katrin B. und Stefan Fries 2012. Studierende schieben Pflichten auf, aber auch persönliche Projekte Typen aufgeschobener und ausgeführter Handlungen im Alltag Studierender. In: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 192-208.

 

1 Kommentar

  1. Piotr Snuszka

    Ein interessanter Beitrag, besonders den Tipp von Gerald Echterhoff und Birgit Neumann kann ich sehr empfehlen. In kleinen Schritten muss die Prokrastination bekämpft werden. Hierbei sollte die Prokrastination mit Schmerzen oder Strafen verbunden werden, die Sie selbst vereinbaren, damit die Prokrastination nicht mit etwas angenehmen verbunden wird (Mindset umstrukturieren). Nur so kann sie effektiv bekämpft werden. Ich habe dazu auch einen passenden Beitrag mit ergänzenden Tipps geschrieben: https://business-and-science.de/schreibblockade-prokrastination/

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