60 Minuten in 27 Bahnen

Insgesamt habe ich mich 60min in der Bahn aufgehalten – oder eher in vielen Bahnen. Es folgen kurze Beobachtungen die ich während der Fahrt notiert habe.

 

 

 

Ich setzte mich in einen vierer in dem schon ein Mann sitzt. Er hat einen langen (ca. 1,5 m) Holzstock in der Hand. In der anderen trägt er einen 1Liter-Tetrapack Mandelmilch aus dem er immer wieder einen Schluck nimmt. Anstatt einer Maske trägt er ein schwarzes Tuch um den Mund.  Ein anderer Mann trägt Arbeitskleidung und hat eine geöffnete Flasche Sterni in der Hand. Die Bahn ist nicht besonders voll.

Eine Familie mit einem Baby im Kinderwagen unterhält sich laut in einer mir fremden Sprache. Das Baby weint, einer der Familienmitglieder nimmt es auf den Arm. Die Bahn ist etwas voller.

Es ist deutlich voller in der Bahn. Neben mir steht ein Mann ohne Maske (ich habe mich so an die Masken gewöhnt dass mir der Anblick direkt auffällt – stelle ich fest). Die meisten Menschen schauen auf ihr Handy. Eine Frau mit Kopftuch lächelt mich an. Ich höre verschiedene Sprachen.

Mir gegenüber sitz eine Frau mit knall grünen Haaren. Sie hat ihren Laptop auf dem Schoss und schreibt eifrig. Ein Mann trinkt Redbull. Es ist wieder sehr voll aber dennoch ziemlich leise. Alle sind mit sich und/oder ihren Handys beschäftigt. Einige schauen aus dem Fenster.

Eine Frau neben mir nimmt eine wütende Sprachnachricht auf. Ein Mann steht mir gegenüber und liest – immer wenn der Zug ruckelt muss er unterbrechen und sich festhalten. Eine Gruppe Jugendliche (vermutlich Schüler:innen) sprechen leise miteinander. Viele Menschen tragen Kopfhörer.

Die unausgesprochene Regel – erst aussteigen lassen, dann einsteigen – wird von allen akzeptiert. Es ist voll, ein Mann schaut neben mir stehend ein Anime auf dem Handy. Obwohl alle dicht gedrängt stehen, ist es sehr leise.

Ein Hund steht auf meinen Füßen, wenn die Bahn wackelt, wackelt die Masse mit. Ein Mann mit Regenbogenmaske stößt mich an, bei dem Versuch an die Haltestange zu gelangen. Er entschuldigt sich kurz. Irgendwo weint ein Baby.

Ein Kinderwagen versperrt den Eingang, die Menschen drängeln sich vorbei. Man hört viele verschiedene Sprachen.

Ein Fahrkartenkontrolleur bitten um die Fahrscheine. Er gibt sich erst zu erkennen als die Türen schon zu sind. In den Gängen stehen die Menschen dicht an dicht und bemühen sich ihre Tickets raus zu kramen, es ist unruhig. Eine Frau hat keinen gültigen Ausweis – es gibt Verständigungsprobleme. Der Kontrolleur ist freundlich, bittet sie aber ihm ihre Personalien zu geben. Sie kramt mehrere Dokumente hervor, während die anderen Passagiere bereits zu den Türen drängen. Die Bahn hält.

Ich habe einen Sitzplatz in einem vierer ergattert. Mir gegenüber sitzt ein Mann mit diversen Gesichtspiercings und einem Bier in der Hand. Ein Mann trötet sehr laut in eine pfeife und fängt an in einem Sing-Sang zu erzählen dass er auf der Straße wohnt. Er versucht die Motz zu verkaufen. Keiner kauft sie.

Die Bahn wird stetig leerer. Der Feierabendandrang eppt also ab. Eine Frau mir gegenüber lehnt ihren Kopf an die Scheibe und schließt die Augen. Ja – denke ich – das fühl ich.

Ein Mann neben mir spricht am Telefon über den Krieg in der Ukraine. Ein anderer tindert aus seinem Handy. Zwei Frauen lachen und quatschen miteinander.

An den großen Umsteige Bahnhöfen ist eine hohe Fluktuation zu beobachten. Ein Mann mit einer Sporttasche spricht über seinen Graskonsum während des Fußballtrainings am Telefon.

Eine Frau ohne Maske mit einem Kinderwagen bittet um Geld. Ein Mann hat eine Geige auf dem Schoss. Ein Pärchen kuschelt miteinander.

In diesem Zug hört  ein Mann laut Musik, andere um ihn herum gucken genervt zu ihm rüber. Die Anzeige in der Bahn ist falsch, die Stationen werden nicht richtig angezeigt.

Es sind nur noch wenige Menschen unterwegs. Die meisten schauen aus dem Fenster in den Sonnenuntergang.

Ein Mann in meinem Abteil trägt zwei FFP2 Masken übereinander, ein anderer gar keine. 

Eine Gruppe junger Mädchen quatsch aufgeregt, mit Kaffees in der Hand. Ist die Ringbahn vielleicht auch eine Art Café?

Zwei junge Männer kommen mit verschiedenen IKEA Paketen angestrengt in das Abteil. Das passiert hier öfter. Ich habe auch schon oft mit der blauen Tüte in der Ringbahn gesessen, denke ich.

Je weiter ich komme, und desto später es wird, desto weniger Leute sind in den Bahnen. Ich erinnere mich an ein paar Stunden zuvor, wo es noch so voll war, dass ein Hund auf meinen Füßen saß. Ein paar Menschen steigen noch ein oder aus, haben Einkaufstüten dabei, trinken Bier oder schauen gelangweilt auf ihre Handys. Ich bin froh wenn ich gleich zuhause bin, und hoffe dass ich mich nicht angesteckt habe.