Abschlussreflexion

1. Ein der zentralen Erkenntnisse für mich wurde von Frau Prof. Dr. Hollerweger im 10. Vortrag zum Thema „Erlesene Geschlechter“ geäußert. Demnach übt die Literatur einen großen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder aus. Das kann sogar zu einer eingeschränkten Identitätsentwicklung führen (vgl. Schmitt-Rößer 2011).

Durch die Vorbildwirkung kann eine weiblich geprägte Lesesozialisation zu der Wahrnehmung führen, dass das Lesen als eine weibliche Kulturpraxis aufgefasst wird, was den Antrieb der Jungen in Bezug auf das Lesen schmälert (vgl. ebd.).

Dabei spielt das Lesen eine große Rolle und wirkt sich auf viel mehr, als nur den Deutschunterricht aus. Wie Dr. Rainer Esser, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Zeit, die sich an den Vorlesestudien beteiligen, beschreibt, haben Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, bessere Zukunftschancen. Hinzu kommt, dass sie leichter lernen, bessere Schulnoten haben und vor allem mehr Spaß am Lesen selbst haben (vgl. Vorlesestudie 2021).

Es sollte also darauf geachtet werden, dass die Tätigkeit des Lesens nicht nur weiblich geprägt sein sollte. Durch männliche Kollegen, Autoren oder männlichen Lesepaten in der Klasse, die Vorlesen, kann eine Vielfalt an Lesevorbildern geschaffen werden. Auch zuhause können die Väter aktiv werde, und den eigenen Kindern vorlesen. Im Hinblick auf die Auswahl der Lektüre kann die Meinung der Schüler*innen berücksichtigt werden, sodass das Interesse beider Geschlechter wahrgenommen wird.

Aus meiner Sicht sind die Lösungsansätze leicht umsetzbar, im Vergleich zu vielen anderen Schwierigkeiten an Schulen, sodass deren Umsetzung auf jedenfall versucht werden sollte. Diese Erkenntnis hat mich vor allem persönlich sehr stark getroffen, da ich Mutter von zwei kleinen Jungen bin. Da ich gerne vorlese, habe ich den beiden bisher vorgelesen. Nun achten wir zuhause darauf, dass Papa und Opa vermehrt vorlesen. Wenn diese kleine Umstellung so große Auswirkungen hat, dann sollte diese Chance auf jedenfall ergriffen werden. Als angehende Lehrerin möchte ich den Fokus hierfür behalten und versuchen, hierfür viel mit den Eltern zusammen zu arbeiten.

Eine weitere zentrale Erkenntnis, die ich aus der Ringvorlesung mitnehme, ist der Einfluss von Intelligenz und Vorwissen auf den Lernerfolg. Bei der Untersuchung von Schneider, Körkel und Weinert 1989, wurde unterschiedlichen Klassenstufen eine Fußballgeschichte vorgelesen. Bei der Richtigkeit der Wiedergabe dieser Geschichte kam heraus, dass das Vorwissen der Kinder hier einen größeren Einfluss hatte, als die Intelligenz (Schmidt-Borcherding 2022). Die Intelligenz ist natürlich nicht unrelevant. Sie wird genutzt, um das vorhandene Vorwissen richtig zu platzieren und gezielt einzusetzen (vgl. ebd.).

Für meinen zukünftigen Unterricht möchte ich dieses Wissen nutzen und das Vorwissen der Kinder in den Unterricht integrieren. Auch kann darauf geschaut werden, dass das Vorwissen einzelner in der Klasse geteilt wird, sodass alle etwas davon haben und es eventuell sogar nutzen können.

Ergänzend hierzu war eine Erkenntnis der dritten Vorlesung, dass mathematische Leistungen überwiegend von Vorwissen geprägt sind. Durch Intelligenz kann, einfach ausgedrückt, das „Herantasten“ an das Ergebnis durch Probieren umgangen oder abgekürzt werden, da abstraktere Lösungswege schneller erkannt werden können. Maßgeblich für den Lernerfolg ist jedoch das Vorwissen, auf welches zurückgegriffen werden kann. Da Intelligenz den Wissensaufbau fördert und intelligentere Kinder schneller Wissen aufbauen und abspeichern können (vgl. Langenfeldt 2014), ergibt sich folgende Erkenntnis, dass was für alle Schüler*innen hilfreich und gut ist, den „intelligenteren“ Kindern immer mehr hilft. Somit möchte ich für meine spätere Tätigkeit einen differenzierten Unterricht fokussieren, der möglichst allen Kindern den Aufbau von Vorwissen erleichtern soll.

 

2. Besonders markant ist mir der Punkt Integration von Schüler*innen mit Migrationshintergrund im Hinblick auf den Schulalltag in Erinnerung geblieben. Zum Einen habe ich in meiner Grundschulzeit Vorurteile von Lehrer*innen aufgrund meines Migrationshintergrunds erfahren. Zum Anderen konnte ich die bei meinem Schulpraktikum erleben, wie Migrationshintergrund und sprachliche Barriere für Ausgrenzung gesorgt haben. Spannend war hierbei auch zu sehen, wie schwierig es aus der Perspektive der Lehrer*innen ist, Schüler*innen mit nur sehr wenig sprachlichen Kenntnissen in den Unterricht mit einzubeziehen, wenn ein System wie „Vorkurse“ nicht vorhanden ist. Da Migration ein Thema ist, welches einen als Lehrer*in immer begleiten wird, würde ich eine erfolgreiche Integration von Schüler*innen mit Migrationshintergrund in eine Klasse wirklich gerne einmal erleben.

In der Vorlesung von Frau Hollerweger und Frau Korff wurden einige Handlungsmöglichkeiten beispielhaft aufgezeigt, wie inklusiver Deutschunterricht aussehen kann. Dieses differenzieren innerhalb einer Aufgabe kann vielleicht auch im Hinblick auf Kinder mit Migrationshintergrund genutzt werden. Zumindest könnte man das Prinzip aufgreifen und entsprechend anpassen, sodass keine Ausgrenzung der Schüler*innen mit Migrationshintergrund stattfinden muss.

Ein positives Beispiel für gendersensiblen Literaturunterricht durfte ich in meinem Praktikum erleben. An der Grundschule gibt es mehrmals im Jahr einen Vorlesetag, was ein Event für alle Schüler*innen jeglicher Klassenstufe darstellt. Für das Vorlesen werden bevorzugt Männer seitens der Schule ausgewählt, was gerade für die Jungen ein positives Lesevorbild darstellt. Dabei ist es vollkommen egal, welchen Beruf die Vorleser ausüben, von Hausmeister bis Bürgermeister ist alles vertreten gewesen. An diesem Bespiel zeigt sich schön, dass durch so einen besonderen Vorlesetag zum einen männliche Lesevorbilder in einer Schule integriert werden können, an der es nur Lehrerinnen gibt. Zum anderen wird das Lesen an sich besonders hervorgehoben und kann bei einigen Schüler*innen auch das Interesse selbst zu Lesen entfachen.

An dieser Schule hat die Klassenlehrerin der ersten Klasse jeden Tag während der Frühstückspause den Kindern vorgelesen, solange diese gefrühstückt haben. Lesen wird durch die Vorlesetage punktuell besonders herausgestellt, gleichzeitig wird es durch die tägliche Routine auch Teil des Alltags. Diese Mischung finde ich sehr gelungen, da das Lesen schon etwas Alltägliches für Schulkinder werden sollte. Durch die besonderen Vorlesetage verliert sich das Lesen nicht in der alltäglichen Routine, sondern wird regelmäßig wieder in den Fokus gerückt.
Zudem können einzelne Werke, die am Vorlesetag auf besonders großes Interesse gestoßen sind, im Deutschunterricht aufgegriffen werden. Man könnte die Schüler*innen auch aktiv darum bitten, abzustimmen, welches Buch von dem Vorlesetag in den Deutschunterricht integriert werden soll.

 

3. Im Bezug auf das Thema Leistung und Leistungsbewertung würde ich gerne vertieft in die faire Bewertung einer heterogenen Lerngruppe schauen. Wie ist es machbar, möglichst alle Faktoren so zu berücksichtigen, dass eine faire und vor allen Dingen nachvollziehbare Bewertung entsteht?

Zu dem Thema Einfluss von Vorwissen und Intelligenz auf den Lernerfolg würde ich gerne mehr erfahren. Interessant wäre es, sich tiefgehender anzuschauen, an welchen Ansatzpunkten wir Lehrer*innen am besten ansetzen können, um das Vorwissen und die Intelligenz bestmöglich für die Schüler*innen zu nutzen.

 

Literatur:

Langfeldt, Hans Peter (2014): Psychologie für die Schule, Weinheim u.a., Deutschland: Beltz Verlag.

Schmidt-Borcherding, F. (2022): Die kognitiven Dimensionen von Lernerfolg: Intelligenz vs. Vorwissen. Empirische Lehr-Lern-Forschung und Pädagogische Psychologie. Foliensatz der Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität in der Schule“, Universität Bremen, 2022, F. 24, 29.

Schmitt-Rößer, Angelika: Geschlechtersensibler Literaturunterricht. In: JuLit 01/11, S. 11-17.

Vorlesestudie 2021: Repräsentative Befragung von Fachkräften in Kitas, https://www.stiftunglesen.de/ueber-uns/forschung/studien/vorlesestudie, Zugriff: 26.08.2022.

 

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