In der Umfrage stellten wir auch die Frage, ob es Orte in Bremen gibt, an denen sich die Menschen unwohl oder unsicher fühlen. Diese Frage wurde von 18 Personen beantwortet: Auf der Karte haben wir mit roten Blitzen die genannten Stadtteile und Orte markiert.
Neben Orten wie dem Weser Stadion (insbesondere an Spieltagen von Werder) wurde auch der Bremer Hauptbahnhof mehrfach genannt. Mehrere Erfahrungen verbinden beide Orte miteinander: „Außerdem auch am Bahnhof, insbesondere an Tagen, wo ein Fußballspiel stattfindet. Aber auch an normalen Tagen wurde ich bereits am Bahnhof beleidigt oder mir wurde vor die Füße gespuckt“ (Umfrage). Eine weitere Person merkte an, „am Hauptbahnhof bin ich zumindest vorsichtig“ (Umfrage). Diese beiden Beispiele zeigen, dass sich Erfahrungen „nicht nur“ um ein mulmiges Gefühl drehen, sondern auch Beleidigungen umfassen oder gar Übergriffe auf die eigene Person erlebt werden. Auch die Clubmeile in der Nähe des Bahnhofs wurde von unseren Befragten mehrfach genannt. Auf der Karte ist klar zu erkennen, dass sich Orte rund um den Hauptbahnhof beziehungsweise die Innenstadt sammeln, an denen sich queere Personen unwohl oder gar unsicher fühlen. Ein weiterer Ort, der als unbehaglich empfunden wird, sind die Wallanlagen (vgl. Umfrage).
Faktoren, welche die Empfindungen besonders an diesen Orten verstärken können, sind die Dunkelheit und große Menschenansammlungen (vgl. Umfrage). „Hauptbahnhof, Domsheide, Viertel […] vor allem bei Nacht. Als Frau und queere Person empfinde ich Bremen, sobald es dunkel wird als sehr gefährlich“ (Umfrage). Doch nicht nur in der Innenstadt machen Menschen negative Erfahrungen, auch an unserer Universität gibt es strukturelle und institutionelle Regelungen, die queeren Menschen das Leben schwer machen beziehungsweise ihr Leben bestimmen. Eine Person erklärt:
„Lustigerweise: die Uni Bremen. Es ist für Studierende nicht möglich, vor Namens-/Geschlechtsänderungen im Pass irgendetwas anderes als die given at birth Daten im System anzugeben oder einen für andere sichtbaren „known as“ name einzutragen. Das bedeutet, dass einen [die] Menschen von der Uni entweder nicht im Sytem/Stud.IP finden, wenn man sich ihnen mit dem chosen name vorstellt oder man wird gezwungen, sich zu outen (der Pass-Name ist für alle zugänglich in Teilnahmelisten von Veranstaltungen, live Etherpads, etc. [auf] Stud.IP usw.). Unglaublich unangenehm, und es macht es vor allem Menschen, die noch in der Selbstfindungsphase und nicht bereit sind, sich zu outen, wirklich schwer, einfach auf andere Kursteilnehmende zuzugehen (oder auch nur an mandatory Aktivitäten wie Blogs, Etherpads, … teilzunehmen)“ (Umfrage).
Neben Erfahrungen auf dem Campus wurden auch negative Erfahrungen an anderen Orten in Bremen gemacht, so zum Beispiel im Stadtteil Gröpelingen. Eine Person schrieb in der Umfrage, dass sie sich nicht getraut hatte, die Beziehung zu ihrem Ex-Partner offen zu zeigen. Des Weiteren gab es oft Situationen, in denen sich die Person am Waller Gymnasium unwohl fühlte, weil Menschen häufiger Diskussionen über ihre Sexualität angefangen haben. Auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln wurden negative Erfahrungen von unseren Befragten gemacht (vgl. Umfrage).
Um eine lückenlose Darstellung unserer Ergebnisse wiederzugeben, möchten wir eine letzte Aussage näher beleuchten, die nicht dem bereits beschriebenen Mehrheitsbild entspricht. Eine Person, die unsere Erfahrungen mit uns teilte, gab an, dass es keine Orte gibt, an denen sie sich unwohl fühlt, „aber ich bin auch vorwiegend nur an der Uni, in der Neustadt, dem Viertel und ab und zu in Habenhausen. Ich nehme allerdings auch an, dass viele, die mich nicht kennen, mich nicht als lesbisch oder queer wahrnehmen“ (Umfrage).
Diese Beispiele zeigen, dass der Sicherheitsaspekt, aber auch Sichtbarkeit eine zentrale Rolle spielen. Unseres Erachtens zeigt die Karte viel zu viele Orte, an denen sich Menschen unwohl fühlen, ihr wahres Ich verstecken müssen oder gar Angst vor (tätlichen) Übergriffen haben müssen. Wie bereits erwähnt, ist unsere Studie aufgrund der geringen Teilnehmendenzahl nicht repräsentativ, jedoch kann man eine klare Entwicklung erkennen. Es ist auch zu bemerken, dass die meisten Befragten nur ein bis zwei Erfahrungen mit uns geteilt haben. Die Dunkelziffer von negativen Vorfällen und Erfahrungen ist vermutlich, und auch aus eigener Erfahrung, um einiges höher. Es ist auch hier wieder an der Gesellschaft, die Offenheit und Liberalität, welche so gerne proklamiert wird, nicht nur weiterhin auf Plakate zu schreiben, sondern diese wirklich zu Leben.