Die Wahrnehmung von Präsenztheater aus verschiedenen Perspektiven

Autor: Annika

Von Hoffnungs- und Enttäuschungsmomenten auf der Suche nach Interviews

Aller Anfang ist.. leicht. Zu Beginn jeder Aufgabe findet meist aus einer Ratlosigkeit heraus ein großes Brainstorming statt. Ich finde, dass dieser Teil der Arbeit und Suche noch nicht zu einem der schweren gehört.

Sophia und ich notierten jeden Kontakt, jede*n potentielle Geschrächspartner*innen, die uns in den Sinn kamen. Auch die Website des Theater Bremen wurden durchforstet, als wir an einem dunklen Nachmittag gemeinsam vor meinem Schreibtisch saßen. Wir googleten Schauspielende und Regie führende, versuchten ihre Kontaktdaten ausfindig zu machen. Es gab mir einerseits ein ähnlich leichtes Gefühl, das man beim browsen oder ziellosen social Media „scrollen“ empfindet und andererseits eine neue Art von Ehrgeiz. Ich fühlte mich ambitioniert, meine Fantasie brachte die Worte „Mission“ oder „Journalistische Recherche“ hervor. Es brachte Spaß und durch diese lockere Recherche kamen Ideen und Inspirationen von ganz allein.

Es war erstaunlich wie viele Menschen in unserem persönlichen Umfeld uns in den Sinn kamen, die uns entweder weiterleiten oder selbst interessante Einsichten geben könnten.

Einige Beispiele für Ideen und wertvolle Berührungspunkte mit unseren Thema waren zu diesem Zeitpunkt:

    • Sophia arbeitet als Service Kraft an der Abendkasse des Theater Bremen

    • Sophia hat vor Beginn ihres Studiums ein FSJ am Theater in Stralsund absolviert

    • Die Mitbewohnerin einer Kommilitonin und Freundin befindet sich in einem FSJ am Theater Bremen und hat Berührungspunkte mit Inszenierenden, Jugendspielgruppen und Schauspielenden (leider zu spät herausgefunden)

    • Wir suchten Kontaktdaten von Schauspielenden über die Website der Uni Bremen, wenn auch mit wenig Hoffnung auf Erfolg

    • Sich vor Ort erkundigen

    • Während und nach einer Vorstellung mit Theaterbesuchenden und Zuschauenden ins Gespräch kommen

    • Die Dozentin meiner Propädeutik Veranstaltung arbeitete lange Zeit als Theaterlehrerin an Schulen und inszenierte Stücke als Regisseurin

Nach einer Weile entstand eine unerwartet gefüllte Liste mit Namen und Ideen, wie wir Gesprächspartner*innen finden könnten. Natürlich erschien es uns unrealistisch, alle potenziellen Gespräche zu führen und sinnvoll in das Projekt einzubinden.

Momente ungeplanter Begegnungen und spontanem Kontaktaustausch:

Erste Situation:

Die erste Begegnung, die sich als ungeplant – und die daher vermutlich auch viel Mut erforderte – beschreiben lässt war im Café „NOON“, das sich im Innenhof des Theater Bremen befindet. Der eigentliche Grund, warum ich mich dort aufhielt, war eine andere Veranstaltung. Ich setzte mich an einem Nachmittag ins NOON, um ein Beobachtungsprotokoll zu verfassen, in dem ich den Ort beschreiben würde. Durch die bewusste Wahrnehmung der Menschen und bewusste gedankliche Auseinandersetzung mit möglichen Gründen für ihren Aufenthalt, die die Aufgabe erfordert, ließ mich die drei Frauen, die ich später ansprechen würde überhaupt erst bemerken. Es handelte sich um drei Frauen, die sich an einem Tisch in meiner Nähe unterhielten. Hätte ich die Gespräche der drei Frauen, die gemeinsam an einem Projekt für das Theater arbeiteten ohne die Aufgabe aus dem anderen Seminar überhaupt wahrgenommen? Ich saß mit einem angepassten Blickwinkel an diesem Ort, mit einer Brille, die relevantes für unser Thema auffasste, mit Ohren, die an jeder Ecke potentielle Informationen hören wollten.

  • Kontakte: Die E-Mail Adressen einer Dramaturgin und der Leitung für „Junge Akteur*innen“

  • Bereicherung: Die Erfahrung der Begegnung, die persönliche Überwindung zu einer Kontaktaufnahme, Lernen eine Interview-Anfrage zu formulieren, ein lockerer „Klönschnack“ vor Ort in dem ich auch für die andere Aufgabe wertvolle Fragen zum Café und ihrer gemeinsamen Arbeit am Theater stellen konnte

  • Enttäuschung: Trotz Hoffnung bereitendem Gespräch im NOON keine Antwort der beiden auf unsere Anfragen

Zweite Situation:

Die Begegnungssituation mit zwei Sängern und einer Regisseurin des Theaters wird in einem weiteren Blog-Beitrag bereits umschrieben https://blogtest.zmml.uni-bremen.de/lampenfieber/2022/02/27/erkundung-des-gelaendes/

  • Kontakte: Zwei Sänger und eine junge Regisseurin
  • Outcome: Der oben erwähnte Blog-Beitrag, Motivation zur Weiterarbeit, eine positive Begegnungserfahrung

  • Enttäuschung: Die aus dem Gespräch entstandene Zuversicht hat sich nach einer Anfrage per Mail nicht bestätigt. Keine*r der drei hat reagiert.

Über die Gründe der ausbleibenden Antworten lässt sich nur spekulieren. Nichtsdestotrotz hat mir der Kontaktaustausch jedes mal ein Erfolgsgefühl gegeben, das mir Motivation und Inspiration schenkte. Auch die persönliche Überwindung dazu die fremden Menschen anzusprechen und mit ihnen in ein Gespräch zu kommen war bei jedem mal eine positive Erfahrung, die durch das Nicht-Antworten der Menschen nicht weniger wert sind.

Erinnerungsprotokoll „Die Zauberflöte“

Es ist Dienstag, der 11.01.22. 

Es liegen stresserfüllte und isolierte Tage hinter mir. In meiner WG gab es einen Corona-Fall und nachdem ich drei Nächte bei einer Freundin unterkommen konnte, begab ich mich erstmals wieder in die Wohngemeinschaft und isolierte mich soweit es ging, beschränkte meinen räumlichen Aufenthalt auf mein Zimmer. 

Ein Theaterbesuch im Januar war schon länger geplant. Nicht nur im Rahmen des Ethnologie Seminars, sondern auch, um endlich wieder rauszukommen und aufzuatmen nach den Tagen der Selbstisolierung und Hektik. 

Der Theaterbesuch wurde am Abend zuvor geplant. Auch, wenn der Wunsch eine Vorstellung der Inszenierung zu besuchen schon länger bestand. „Die Zauberflöte“— Ein Name, ein Titel, der vielen Menschen ein Begriff ist. Die Melodie einem der Titelsongs spielt sich automatisch in meinem Kopf ab. Über eine WhatsApp Gruppe werden spontan Karten für den nächsten Abend gebucht.

Schon hier zeichnet sich der Einfluss der hohen Infektionszahlen deutlich ab. Es bestehen Sonderregeln bei der Wahl der Sitzplätze, bestimmte Abstände müssen eingehalten werden, sodass die Zahl der verfügbaren Plätze mit dem Infektionsgeschehen noch einmal reduziert wurden. 

Meine Freund*innen und ich haben Glück und ergattern 3 Karten zum ermäßigten Preis.

Es ist Mittwoch, der 12.01.22.

Nach einem frischen Pfefferminztee und Austausch im Theater Café „NOON“ begeben wir uns auf den Weg zum Theater am Goetheplatz. Das Gebäude hat durch die Beleuchtung eine eindrucksvolle Wirkung. Am Eingang wird wie erwartet der Nachweis einer Impfung und das digitale Ticket überprüft. Wir müssen nicht warten, können parallel an mehreren Türen eintreten. Auch die Garderobe ist relativ überschaubar. 

Als wir den Theatersaal betreten, wird uns klar warum: Die meisten Zuschauenden sind bereits an ihren Plätzen, gleichmäßig und zahlenmäßig überschaubar in den Sitzreihen verteilt. Es bleiben zehn Minuten bis Spielbeginn. Es sind junge Menschen wie wir, Senioren und Seniorinnen, Paare, keine Kinder. 

Ein schweifender Blick durch den Saal ist von weiß bestückten Gesichtern dominiert. Jede*r trägt ausnahmslos eine FFP2 Maske. Eine weitere Bedingung für den Besuch der Theatervorstellung.

Kurz vor Beginn der Vorstellung ertönt der Klang, der den Beginn der Vorstellung signalisiert.

Da es sich um ein Musiktheaterstück, eine Oper handelt, betritt der Dirigent des Orchesters den Raum und wird vom Publikum begrüßt. Es ist nicht nur die erste Theateraufführung im Theater seit Beginn der Pandemie für mich, sondern auch die erste Oper, die ich nun persönlich erleben werde. Es ist für mich etwas besonderes, dass Geräusche und Musik live gespielt werden. Die Anzeige, die über der Bühne hängt und den gesungenen Text anzeigt ist ebenfalls eine Überraschung für mich. 

Schnell wird mir klar, dass ich bei diesem Stück Eindrücke erlebe, die nur durch eine Anwesenheit aller Beteiligten möglich ist. Die Kostüme der Vogelfiguren sind detailliert und kreativ mit verschiedenen Stoffen bestückt. Ich sehe den Stoff schwingen und wenn Schauspielende sich bewegen oder interagieren kann ich genau hören wie Materialien sich zueinander verhalten. Ich lege in jedem Moment fest worauf ich meine Aufmerksamkeit setze. 

In einem Moment ist es das Spiel, die Handlung oder der Gesang und im nächsten ist es ein anderes Detail, das vielleicht sogar außerhalb der Bühne liegt.

Rechts vom Orchester ist ein Mann positioniert, der Trommeln bedient. Ich glaube nicht, dass er Teil des Orchesters ist. Er erzeugt durch das Bedienen verschiedener Trommeln und einer Art Kurbel die Geräuschkulisse. Ich kann genau beobachten wie fokussiert er ist und bin begeistert davon wie vielseitig die Mittel sind, die eingesetzt werden, um die Wirkung des Schauspiels und der Musik zu entfachen.

Nach vergeblichem Warten auf eine Pause, entschied ich mich mitten im Stück das WC aufzusuchen. Bevor ich zurück in den Saal konnte, wurde ich aufgehalten. „Das ist Präsenz“ – denke ich.Die Zeit, in der ich den Raum wieder betreten darf wird abgepasst. Es soll der Szenenwechsel abgewartet werden. Säße ich vor einem Bildschirm, hätte es niemanden interessiert wann oder wie ich die Aufführung verfolge.

Den Heimweg treten wir mit ausgelassener Stimmung an, wenn auch mit einigen Schwierigkeiten. Nachdem ein wir ein Erinnerungsfoto schießen, verlassen wir das Theater am Goetheplatz und begeben uns in Richtung der Haltestelle „Domsheide“, um mit der Straßenbahn nach Hause zu gelangen. Es ist kalt und recht spät. Um 22:00 Uhr fahren die meisten Bahnlinien nur noch halbstündig. Als wir in eine einsteigen wollen, scheint diese selbst spät dran zu sein und schließt direkt vor unserer Nase wieder die Tür. Mein Mantel wird in der schließenden Tür eingeklemmt, wir müssen ihn herausziehen. Fassungslos warten wir in der Kälte auf die nächste Bahn, die uns schließlich nach Hause bringt.

Es war ein gelungener Abend, vor allem das Stück war wirklich einen Besuch wert. In der Corona-Zeit haben sich einige alternative Formen des Theaters vor allem im digitalen Raum entwickelt. Ich denke aber, dass all diese Entwicklungen auch parallel zum Bühnentheater ablaufen werden ohne, dass das Präsenztheater dabei an seiner Relevanz oder Besonderheit verliert. 

Ich konnte es genießen den Schall der Instrumente auch körperlich zu spüren und kontrollieren zu können auf welche vielseitigen Aspekte des darstellenden Spiels ich meine Aufmerksamkeit richte. Ich glaube und hoffe, dass diese Form des Theaters sich zwar immer weiter ausdifferenziert, aber nie verschwinden wird. 

Vorausgesetzt die Pandemie lässt es zu.

Das Theater von außen – Ort der spontanen Begegnung?

 

 

Es ist Mittwoch, der 23. Februar 2022. Die Sonne scheint und ich begebe mich wie viele andere Bremer*innen nach einigen Tagen Sturm und Regen an die frische Luft. Die Sonne lockt mich und meine Kamera könnte mal wieder benutzt werden. Nach der Klausurenphase habe ich wieder mehr gedanklichen Freiraum für Hobbies – meine Kamera und das Erkunden.

Das Ziel meiner Tour ist das Theater Bremen. Ich begebe mich bewusst hinaus und mache mache mich mit Intention auf den Weg.

Was finde ich visuell, wenn ich einfach nur drauf los schaue, drauf los gehe und spaziere?  Ich kann das Theater Bremen auf der Website erkunden, niemals müsste ich mich aktiv und physisch zum Theater begeben, um Informationen oder Eindrücke zu bekommen. Die digitalen Informationen sind völlig ausreichend, wenn es nur um den einen Zweck geht.

Auf den Weg zum Theater am Goetheplatz erhasche ich einen  Blick auf das erste Anzeichen, das Logo des Theater Bremen. Ich kann es durch Äste und die Kunsthalle hinweg sehen, unter Einfluss von Tageslicht, in der Distanz. Anders als auf einer Abbildung. Der Eindruck des Gebäudes verändert sich mit jeder meiner Bewegungen, physischer Position.

Ich entscheide mich dazu das Gelände des Theater Bremen zu erkunden.

Als ich vor dem Café NOON stehe, das sich im Innenhof befindet, fallen mir drei Menschen auf. Sie sitzen und stehen an einem Tisch in der Sonne. Auf dem Tisch befindet sich Papierkram, ein aktiv genutzter Aschenbecher und leere Kaffeetassen. Die zwei Männer und die Frau unterhalten sich. Ich erkenne das Gesicht und die Statur einer der Männer. Es muss der Schauspieler, der Sänger sein, den ich wenige Wochen zuvor im Theaterstück „Die Zauberflöte“ auf der Bühne sehen durfte. Ich stelle mich etwas peinlich berührt dazu und frage ohne viele Gedanken an meine Unsicherheit zu verschwenden, ob sie vom Theater seien, stelle mich vor, versuche Kontakt herzustellen.

Das, was ich erfahre ist, dass sie gerade Mittagspause machen, zwei Sänger und eine Regisseurin sind. Sie notieren ihre Kontaktdaten auf herumfliegenden Papierstücken und seien generell ja immer für sowas offen. Sowas wie „Mal über den Wert von Bühnentheater quatschen“.

Um einige Fotoeindrücke, die Kontaktdaten dreier Theatermitwirkender und ein bisschen Stolz reicher mache ich mich auf den Weg zu den nächsten Orten, die ich an dem Tag noch auf der Liste habe.

Die nächsten drei Schritte

  1. Annika besuchte vergangenen Mittwoch, dem 12.01.22 das Musiktheaterstück „Die Zauberflöte“ des Theater Bremen. Sie konnte Präsenztheater aus der Perspektive des Publikums wahrnehmen und wird eine Art Tagebucheintrag, ein Erinnerungsprotokoll verfassen, in dem sie ihre Eindrücke schildert.
  2. Auch Sophia plant, einen solchen Tagebucheintrag zu verfassen und sah sich dafür vergangenen Sonntag, den 16.01.22, das Schauspiel „All das Schöne“ am Theater Bremen an. Sie wird die dabei enstandenen Eindrücke und Erfahrungen nutzen und dokumentieren.
  3. Es ist uns gelungen den Kontakt einer Dramaturgin und der Leitung für junge Akteur:innen herauszufinden. Annika hat sie im NOON Café des Theaters angesprochen. Gemeinsam sendeten wir ihnen zwei Interviewanfragen und hoffen nun auf eine Antwort, sowie ein Gesrpäch.
  4. Sabine Thöle, eine unserer Dozentinnen werden wir um ein Gespräch zum Thema  bitten oder nach Anregungen fragen.

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