I. Benennen Sie die für Sie zentralsten theoretischen Erkenntnisse, die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung für sich als besonders prägnant mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei konkret Bezug auf a.) fachdidaktische Aspekte, indem Sie Erkenntnisse auf die Didaktiken ihrer eigenen beiden Fächer beziehen und b.) generelle erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse zu Schule und Unterricht. Bitte benennen Sie dabei konkret mindestens zwei relevante Literaturquellen an den entsprechenden Stellen in Ihren Ausführungen.
In der Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität in der Schule“ habe ich das weite Spektrum der Heterogenität im schulischen Kontext kennengelernt und verstanden, welche Konsequenzen und Chancen sich aus dieser für uns als zukünftige Lehrkräfte ergeben. Zu Beginn der Veranstaltung war mir die Relevanz und Tragweite des Themas im Bereich Schule nicht vollständig bewusst. Mir war zwar vorab klar, dass sich Schüler:innen im Schulsystem durch unterschiedliches Lernverhalten und verschiedene Startvoraussetzungen voneinander unterscheiden und manche mehr individuelle Zuwendung durch die Lehrkraft benötigen als andere, aber die wirkliche Reichweite und der reelle Aktionsradius von Heterogenität entzog sich bis zum Beginn der Veranstaltung meinem Kenntnisstand. Mithilfe der Vorlesung habe ich gelernt, dass eine reflexive Auseinandersetzung mit dem Verhalten und den Hintergründen der Schüler:innen und auch mit dem eigenen Lehrer:innenhandeln und -denken nötig ist, um einen sensiblen Umgang mit dem Thema Heterogenität in der Schule zu gewährleisten und dass eine differenzsensible und inklusive Bildungsqualität Ziel von Schule sein sollte.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir das Thema „Rassismus und Rassismen“ aus der letzten Sitzung. Hier wurde besonders in den Diskussionen unter den Studierenden deutlich, dass es ganz unterschiedliche Auffassungen von Rassismus gibt und dass das persönliche Empfinden der Betroffenen eine große und wichtige Rolle spielt. Aufgefallen ist dabei, dass bei rassistischen Handlungen vor allem von Äußerlichkeiten, vom Geschlecht und von sozialen Markierungen auf Stereotypen, Ideen und Vorurteile geschlossen wird und diese sich in diskriminierenden Verhalten und Fragen äußern. Das „Diversity Wheel“ nach Loden und Rosener kann in diesem Kontext darauf hinweisen, auf wie vielen Ebenen Unterschiedlichkeit existiert und schließlich auch wahrgenommen werden kann (vgl. Marilyn Loden/ Judy Rosener, 1991: Workforce America! Managing Employee Diversity as a Vital Resource). Mechtild Gomolla beschreibt die soziale Diskriminierung, die Ausdruck einer solchen Wahrnehmung von Unterschiedlichkeit sein kann, als Herabsetzung, Benachteiligung und Ausgrenzung gegen Angehörige bestimmter Gruppen. Es geht dabei um Privilegien, die geschaffen oder erhalten werden, um die Erstellung von Differenzkategorien und um die Diskriminierung auf individueller und institutioneller Ebene (vgl. Mechtild Gomolla, 2016: Institutionelle Diskriminierung, S. 73) In diesem Kontext fällt mir auch der Differenzbegriff aus der siebten Vorlesung ein, der aufzeigt, dass Differenzen immer Teil eines gesellschaftlichen und sozialen Konstrukts mit hierarchisierendem Charakter sind und künstlich geschaffen werden (vgl. Nadine Rose / Anna Gerkmann, 2015: Differenzierung unter Schüler:innen im reformorientierten Sekundarschulunterricht, S. 193). Es werden sozusagen Grenzen zwischen Menschen gezogen. Mir stößt daran besonders die Praxis des „Otherings“ auf, bei der zwischen „Wir“ und den „Anderen“ unterschieden wird (vgl. Edward Said, 1978; 2003: Studie ‚Orientalism‘). Schule sollte das Thema Rassismus daher sensibel behandeln und ein Ort für Gemeinschaft und Gerechtigkeit sein und diese auch fördern. Im Kunstunterricht kann man Rassismus in gewisser Weise begegnen, indem man Schüler:innen schon früh beibringt, Differenzen nicht als positiv oder negativ einzustufen. Indem man im Unterricht auf kreative und künstlerische Weise abstrakte Begriffe wie „Liebe“, „Sexualität“, „Freiheit“ und „Herkunft“ behandelt, kann eine Toleranz gegenüber Unterschieden untereinander aufgebaut werden. Beispielweise kann die Debatte um den „Hautfarbe-Bundstift“ vermieden werden, indem Kindern eine gewisse Vielfalt an Buntstiften zur Verfügung gestellt wird und diese Diversität besser darstellen können. Die Schüler:innen können so Gemeinsamkeiten trotz Vielfalt kennenlernen und lernen Unterschiede zwischeneinander zu akzeptieren.
Ein weiterer theoretischer Ansatz, der mir in Erinnerung geblieben ist, ist der der Mehrsprachigkeit. Durch die zugehörige Vorlesung ist mir erst richtig bewusst geworden, dass Mehrsprachigkeit ein riesiges Potenzial auch im Bereich Schule birgt. Diese kann folglich zum Wissenserwerb genutzt werden und bedeutsamer Teil der Unterrichtsgestaltung sein. Nicht jede:r Schüler:in bringt die gleichen sprachlichen Voraussetzungen mit oder ist auf demselben bildungssprachlichen Sprachniveau. Im Sprachunterricht müssten die Schüler:innen also an und mit Sprache lernen. Als Lehrkraft hat man folglich die Aufgabe diese sprachlichen Prozesse zu unterstützen. Wandruszka stellt dafür inspirierende Thesen auf: Lehrkräfte sollen sich als Erzieher:innen der Mehrsprachigkeit verstehen, die mitgebrachten Sprachen der Schüler:innen in ihrem Eigenwert anerkennen und ein Bewusstsein für wachsende Mehrsprachigkeit geben (vgl. Mario Wandruszka, 1979: Die Mehrsprachigkeit des Menschen, S. 18). Diesen Thesen möchte ich gerne zustimmen und sie als eines meiner Professionalisierungsziele festsetzen. Im Deutschunterricht ist eine Handhabung dieser möglich, indem die Schüler:innen in der Aufgabenbeantwortung auch andere Sprachen sprechen können, Vergleiche zwischen verschiedenen Sprachen gezogen werden und ein sensibler Umgang mit Fachterminologie vollzogen wird, sodass jede:r Schüler:in aufgefangen und in den Unterricht einbezogen wird.
II. Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität (z.B. Unterrichtsformen, Schulformen, schulstrukturelle Fragen, schulkulturelle Aspekte, Lehrer:innenhandeln)), die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf ihre eigenen Praxiserfahrungen (eigene Schulzeit, Berichte aus der Praxis, ggf. auch schon eigene Praxiserfahrungen) den Schulalltag besonders stark – und warum? Hier können Sie aus Ihrer Sicht besonders gelungene oder auch weniger gelungene Beispiele geben. Inwiefern helfen Ihnen die Inhalte der Vorlesung, eine solche Einschätzung vorzunehmen? Nehmen Sie konkret Bezug auf entsprechende Begriffe, Theorien, Konzepte, die Sie jetzt kennengelernt haben mit Bezug zu Autor:innen, auf die sich die Referent:innen bei der Verwendung dieser Begriffe, Theorien, Konzepte in ihren Präsentationen bezogen haben.
Was mir nachträglich bei der Reflexion meiner eigenen Schulerfahrungen zum schulischen Umgang mit Heterogenität auffällt, ist, dass „moderner Unterricht“ und „interessengeleiteter Unterricht“ ein immer größeres Thema wird. Durch die Verbindung von Theorie und Praxis mittels alltäglicher Bezüge kann den Schüler:innen die Möglichkeit gegeben werden, eine gewisse Allgemeinbildung zu entwickeln. Ebenfalls ist der Einsatz von unterschiedlichsten medialen Mitteln, wie z.B. Social Media, eine neue und spannende Art der Wissensvermittlung und -sicherung. Diese Art der Unterrichtsgestaltung kann erheblich zur Lehrenden-Lernenden-Beziehung beitragen und Kommunikation auf einer integralen Ebene ermöglichen. Damit werden Begriffe wie „lebensfremd“ und „verstaubt“ in Bezug auf den Unterricht überwunden und konkrete Verknüpfungselemente und Erinnerungsanker für die Schüler:innen gelegt. Die Schüler:innen bekommen durch mehrdimensionale Alltagsbezüge, durch modernen Unterricht und den Einsatz von Medien einen neuen Zugang zu Wissen. Ebenfalls werden sie mehr auf das „echte Leben“ vorbereitet und in ihrem eigenen Lebensalltag abgeholt (vgl. OECD, Pisa Konsoritorium, 1999: Scientific Literacy for All). Diesen Entwicklungsaspekt von Unterricht halte ich dementsprechend für sehr gelungen.
Auch das Thema der Mehrsprachigkeit prägt immer mehr das Schulsystem. In eigentlich jeder Klasse befinden sich Schüler:innen, die mit einer Zweitsprache oder anderen Erstsprache aufgewachsen sind. In meiner eigenen Schulzeit habe ich zum Glück kaum Erfahrungen mit diskriminierendem Verhalten gegenüber Nicht-Deutsch-Sprechenden gemacht. Der Vorlesung habe ich jedoch entnommen, dass das Thema Mehrsprachigkeit ein treibendes Thema in der Schulentwicklung ist. Der Fall, in dem das Türkisch sprechen im Unterricht mit einer geldlichen Strafzahlung verbunden ist, hat mich besonders schockiert (vgl. Inci Dirim, 2010: Mehrsprachigkeit, S.101). Mehrsprachigkeit ist nach Oksaar funktional (vgl. Els Oksaar, 1980: Mehrsprachigkeit, Sprachkontakt, Sprachkonflikt, S. 43-52). Das bedeutet, dass Mehrsprachigkeit als Bereicherung angesehen werden kann und auch einen effizienten Charakter im Unterrichtsgeschehen hat. Besonders im Austausch der Schüler:innen untereinander und bei der Aufgabenbeantwortung kann diese Potenzial genutzt werden.
III. Zu welchen zwei erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium in Bezug auf das Modulthema BAUMHET? Welche haben Sie vermisst? Bitte begründen Sie Ihre Wahl.
Zur erziehungswissenschaftlichen Fragestellung nach „Rassismus und Rassismen“ würde ich sehr gerne noch mehr erfahren. Die Vorlesung hat eine echte Fragehaltung in mir geweckt und mir gezeigt, wie diskriminierendes Verhalten sich auf andere auswirken kann. Ebenso hat der Inhalt verdeutlicht, dass ein reflexiver Umgang mit dem Thema vor allem im Bereich Schule nötig ist. Mich interessiert vor allem, ob es neben antimuslimischem und kulturbedingtem Rassismus noch weitere Formen von Rassismus gibt und welche Handlungsmöglichkeiten es für Lehrkräfte gibt, so einem Thema sensibel und aufgeschlossen im Schulalltag zu begegnen. Dies wurde zwar in der Vorlesung angerissen, jedoch möchte ich anhand von konkreten Fällen Lösungsstrategien erlernen. Die Vorlesung hat auf jeden Fall mein Bewusstsein für das Thema gestärkt und mich für dieses sensibilisiert.
Zudem interessiert mich die „Beobachtung von Heterogenität im Klassenzimmer.“ Besonders die psychologischen und historisch verankerten Aspekte sind sehr spannend, da diese helfen zu verstehen, wieso der Mensch in Extremen und Differenzkategorien denkt. Diesbezüglich möchte ich noch erweiternd lernen, wie ich aus solchen Mustern aktiv ausbrechen kann und welche Deutungsmöglichkeiten sich durch einen aufmerksamen Umgang mit dem Thema ergeben.
Darüber hinaus interessieren mich auch die kreativen Fächer der Schule, die meinst einen ganz anderen Zugang zu Wissen ermöglichen und einen anderen Vermittlungsweg gehen, als naturwissenschaftliche oder gesellschaftswissenschaftliche Fächer. Es wäre in der Vorlesung noch spannend zu sehen, wie im Kunst- oder Musikunterricht mit Heterogenität umgegangen wird oder welche Möglichkeiten der Sportunterricht bietet, um einen reflexiven Umgang mit Heterogenität zu gewährleisten. Auch dort sind die Voraussetzungen und Startpunkte der Schüler:innen sehr individuell und bedürfen eines bewussten Umgangs mit Heterogenität. Die Aufnahme eines kreativen Themas in den Vorlesungskatalog erachte ich daher als sehr sinnvoll.
Auch die Themen „Mobbing“ oder „Gender“ wurden für mich zu wenig oder gar nicht behandelt. Doch gerade das Geschlecht und die Wahrnehmung von Einzelpersonen im Sozialgefüge der Schule durch die Mitschüler:innen sind entscheidende Faktoren, die die Heterogenität einer Lerngruppe unterstreichen und zu dieser beitragen. Geschlechterrollen und -ansichten und Schüler:innen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, konnen so auch in den Fokus rücken. Der gezielte Umgang mit Mobbing ist im System Schule auch ein zentrales Thema, für das sowohl Lehrende als auch Lernende ein Gespür entwickeln müssen. Daher empfinde ich eine Behandlung dieser Themenfelder in der Ringvorlesung ebenfalls als wichtig und notwenig.
Schreibe einen Kommentar