Part 5

Warum deshalb Kollektive wichtig sind: in Kollektiven geht es (zumindest meiner Erfahrung nach) viel darum, gesehen zu werden. Darum, dass auf Bedürfnisse, Grenzen und Fähigkeiten Rücksicht genommen wird. Dass Arbeit wertgeschätzt wird. Dass Personen mit ihren Erfahrungen und Perspektiven einen Raum schaffen können, der innerhalb der konsensfähigen ausgehandelten Rahmenbedingungen ein Ort zum gewaltarmen Lernen und Wachsen sein kann. Ein Ort der Selbstermächtigung und ein Ort, der sich den gewaltsam aufgezwungenen Normierungs- und Definitionsprozessen entziehen kann. Ein Ort der Heilung, des utopischen Träumens und Ausprobierens, an dem neue Definitionen geschaffen werden und Aushandlungsprozesse die Perspektiven aller einbeziehen. Oft ist das auch sehr anstrengend und doch ist es angenehmer, als die gewaltsamen Räume und normierten Prozesse durchschreiten zu müssen, an die sich der großteil der Gesellschaft schon gewöhnt hat und die so als selbstverständlich und notwendig hingenommen werden. Dabei könnte es auch anders sein. Ein safer space für alle, die kollektiv aufgrund von zugeschriebenen oder selbst gewählten Identifikationspunkten handlungsfähig werden wollen.
Vielleicht weil ich ein so stark romantisiertes Bild von kollektiven Räumen habe, sind bis jetzt so viele meiner persönlichen Ressourcen auch in die Arbeit dort eingeflossen. Aber auch, weil ich schon sehr viele empowernde Erlebnisse mit diesem Konzept des Arbeitens hatte – und mich mit anderen Konzepten bis jetzt nicht anfreunden kann. Ob sich das noch ändert, kann ich schwer einschätzen. Ich hoffe allerdings, dass viele bisher ungesehene Perspektiven den Einzug in wichtige Entscheidungs- und Definitionsprozesse finden können. Oder sich zumindest gegenseitig empowern und dafür Räume schaffen können, die nicht direkt angeeignet oder eingenommen werden. In den Personen zu Wort kommen können, die sonst wenig zu sagen haben.
Betrachtet man die Ausdrucksformen Text und Dialog, so ist es doch auffällig, dass ein Dialog irgendwie organischer erscheint; als sei das Wesen eines Dialogs selbst schon prozesshafter und offener als ein Text, der versucht in sich abgeschlossen die Komplexität gewisser Sachverhalte, die er niemals in der Gänze zu ergründen vermag, auch nur annäherungsweise mit Anspruch auf Vollständigkeit zu präsentieren.
Vielleicht ziehe ich deshalb Gespräche Texten vor.
Und doch scheint der Prozess des Schreibens dieses Textes mit diesen Zeilen eine der wenigen Dinge zu sein, die ich angefangen und beendet habe.
 

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