Vielleicht hängt ein Teil dieser Resilienz auch davon ab oder damit zusammen, wie sehr Personen sich (noch) mit gewissen Konventionen und Eigenschaften identifizieren (können oder wollen). Ich lehne mich wahrscheinlich nicht zu weit aus dem Fenster wenn ich sage, dass Personen sich anfangen von Eigenschaften und Konventionen in Gedanken und Verhalten zu entfernen, wenn sie damit leidvolle Erfahrungen verbinden, die sie zukünftig umgehen wollen. Eine nachvollziehbare Konsequenz. Jedoch kann damit auch Potential verloren gehen: das Potential zu (kollektivem) politischem Handeln. Bis zu welchem Grad sich mit Aspekten eines Identitätskonstruktes identifiziert werden muss, um (als Kollektiv oder Einzelperson) handlungsfähig zu werden, ist fraglich und muss wahrscheinlich je nach Situation fortlaufend neu bestimmt werden (was auf jeden Fall eine weitere Hürde darstellt und weshalb es soetwas wie verschriftliche Selbstverständnisse in Kollektiven gibt).
Einige dieser Absätze mögen bis hierhin vielleicht gar zusammenhangslos wirken, deshalb bemühe ich mich darum kurz das bisher Geschriebene mit meiner Motivation für diese Einträge in Verbindung zu bringen und ein paar Abschlussgedanken zu formulieren. Ich habe seit dem Beginn meines Studiums bisher einige Erfahrungen sammeln dürfen: in WGs, Seminaren, Referaten und Gremien, meinem Nebenjob, selbstverwalteten Räumen und mit allerhand verschiedenen Personen, die, obwohl oder weil sie sehr vielfältige Perspektiven auf das und Haltungen zu dem Weltgeschehen haben, sich ihr Leben lang immer wieder in Aushalndlungprozesse begeben (müssen), wenn es um die Gestaltung bestimmter Lebensbereiche und Zusammenleben geht. In einigen Fällen meiner Begegnungen habe ich mir ausgesucht, wem ich begegne und wie der Kontakt ausgestaltet werden kann. In anderen nicht. Nun liegt es vielleicht daran, dass ich mir mehr oder weniger freiwillig ausgesucht habe, mich mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zu identifizieren und die Motivation dafür mag je nach Merkmal verschieden sein. Mit manchen Merkmalen würde ich mich gerne weniger identifizieren, und doch komme ich nicht drum herum es aufgrund bestimmter Lebenserfahrungen eben doch zu tun. Wenn ich beispielsweise gewisse Passagen in Texten lese oder mich von Statements wie dem von meiner Soziologiedozentin angesprochen fühle. Wenn ich auf der Arbeit aufgrund meines zugeschriebenen Geschlechts oder meiner zugewiesenen Gesellschaftsposition Mikroaggressionen abbekomme. Oder wenn ich mich in akademischen Kontexten einfach allgemein fremd fühle. Ich will nicht sagen, dass es anderen Leuten, die anders sozialisiert sind nicht auch so gehen kann. Dennoch können gewisse Erfahnungen weder geteilt, noch nachvollzogen werden. Der Zugang wird stets ein anderer bleiben, die Eingewöhnung und Orientierung ist vermitlich ein enormes Stück leichter, wenn man schon mit bestimmten Konventionen wenigstens aus dem familiären Kontext vertraut ist.