Ich denke dabei unter anderem an Inhalte aus den Vorlesungen. An die obdachlosen Personen, die in Hamburg „Platte machen“ und dabei von Wissenschaftler*innen gefilmt und befragt werden. Ich denke an prekär beschäftigte Lohnarbeiter*innen an Supermarktkassen und in Lagerräumen, die den Forscher nur teilweise in ihre Kreise und ihren Lebens- und Arbeitsalltag integrieren (können). (Können), weil es gewisse sozialisationsbedingte Unterschiede gibt, die niemals „aus-„, „angeglichen“ oder „integriert“ werden können. Und das ist auch in Ordnung so, weil das scheinbar gar nicht oder nur in gewissen Teilen der Anspruch ist. So lange sich nicht die Illusion gemacht wird, mit dem Verhalten während des Beobachtens und der Beobachtung selbst hinreichend in die Lebensrealitäten dieser Personen eindringen zu können, um daraus (allegmeingültigere) Schlussfolgerungen für eigentlich viel zu umfangreiche Theoriekomplexe ableiten zu können; scheint erst einmal an der Methodik nicht viel auszusetzen zu sein – haben die Forscher`*innen sich doch (mittlerweile zumindest) auf die Fahne schreiben können, den Personen mit Respekt und im Reflexionsprozess über die eigene Voreingenommenheit zu begegnen.
Aber das sah auch vor nicht allzu langer Zeit anders aus. Ich denke an andere Texte, unter anderem den von John Berger, in dem er die Arbeiter*innen in ihren Anzügen als „mißgestaltet“ bloßstellt. Und den Text, in dem es um die Männer aus Puerto Rico ging, die sich aufgrund ihrer internalisierten „street culture“ in den Krawattenbunkern ihrer neuen Arbeitgeber*innen nicht zu benehmen wissen. Ich denke an eine Aussage in meinem ersten Semestern an der Uni von einer Soziologiedozentin, darüber dass „eine integrative und inklusive Uni nicht nötig sei, sie sich aber immer wieder gerne auf die Seite der Leute schlage, die es versuchen wollen.“ Wir stehen in Ihrer Schuld! Und dürfen jetzt auch noch dankbar dafür sein, dass uns der Zugang zu Bildung genehmigt wird – obwohl es für den wissenschaftlichen Betrieb an sich nicht notwendig wäre, gewisse Perspektiven in die Forschung einfließen zu lassen und es ja auch so viel zusätzliche Arbeit bedeutet! Das kann doch niemand wollen.
Ich will gar nicht sagen, dass die letztgenannte Perspektive mehrheitlich flächendeckend vertreten wird (auch weil ich keine statistischen Daten habe, die meine Aussage stützen könnten). Zudem sind die mittlerweile eingerichteten Antidiskriminierungsstellen und andere Organisationen ein Beweis dafür, dass es zumindest ein paar engagierte Leute gibt, denen es die zusätzliche Arbeit und der Einbezug neuer Perspektiven wert ist. Ich will nur auf die kleinen Hürden aufmerksam machen, mit denen sich einige Personen konfrontiert sehen könnten, die einen Abschluss an einer Universität (aber eigentlich fängt es schon in der Schule an) erreichen wollen, aber aus einem Nicht-Akademiker*innen Haushalt kommen. Es wird an allen möglichen Stellen betont, wie viel die Sozialisation die Entwicklung eine Persönlichkeit prägt. In der Sozialisationsbiografie vieler Menschen, die von verschiedenen Unterdrückungsmechanismen mehr oder weniger schwer betroffen sind, sammeln sich im Laufe des Lebens mehr oder weniger schnell sogenannte Mikroaggressionen an, die ihnen aufgrund gewisser (zugeschriebener) Eigenschaften entgegebgebracht werden. Wie eine Person mit diesen Aggressionen umgehen kann, soll von der persönlichen ausgebildeten Resilienz abhängen – sei das erstmal hingenommen.