Kurzer Einblick in ein anderes Leben

Da wo sich die Landesgrenzen von Kasachstan, der Mongolei und China treffen, reiste ich 2017 in eine Stadt Namens „Nowokusnezk“ in Russland. Ich kann mich noch genau erinnern, mit welcher Vorfreude ich auf diese Reise gewartet habe. Nun stand ich da, neben mir mein Gepäck und kein bisschen Unsicherheit. Ich ging selbstbewusst zur Glastür, welcher der Ausgang schien zu sein und wusste sofort, was mich dahinter erwartet. Ich machte die Tür auf und mir kam direkt eine schwere, dicke Luft entgegen, die nach Abgasen und wortwörtlich nach Tankstelle roch. Ich lächelte. Perfide, dass solch ein Geruch einen glücklich machen kann, aber so war es. Ein Mann entdeckte mich und kam auf mich zu- wir fielen uns in die Arme. Wir beide freuten uns, denn das letzte Treffen war schon drei Jahre her. Wir setzten uns ins Auto und fuhren los. Der Mann am Steuer ist mein Onkel, lustiger Typ. Nimmt sich nie ernst. Um ehrlich zu sein ist er gar nicht mein Onkel, sondern der Cousin meiner Mutter. Aber die Menschen in Russland geben nicht viel auf genaue Bezeichnungen von Familienmitgliedern. Entweder ist man Schwester, Tante, Cousin oder Onkel. Ist ja auch egal, denn von Grund auf sind wir eins: Familie. 

Als ich aus dem Auto stieg, waren da Menschen die das Auto schon aus 200 Metern Entfernung hörten. Ist auch nicht wirklich schwer, denn der Schotterweg ist laut und sonst kommt auch nur alle 2 Stunden ein Auto vorbei. Ich stieg aus und dort standen alle. Wir umarmten uns fest und es fühlte sich nicht danach an, dass wir uns drei Jahre nicht gesehen und auch nicht wirklich gehört haben. Da wo ich war, ist keine Stadt mehr, es ist eigentlich auch kein richtiges Dorf mehr, denn die meisten sind schon längst in die Stadt gezogen. Früher war es mal ein Dorf mit guter Infrastruktur. Es gab eine Schule, einen Arzt, ein Jugendzentrum, mehrere Läden, sogar eine Tankstelle. Ich spreche nicht mehr von der Stadt „Nowokusnezk“, wo ich aus dem Flugzeug stieg, sondern einem kleinen Dorf namens „Nikolajewka“. Ein „Dorf“, welches vor einigen Jahren noch auf Google Maps zu finden war, heute nicht. 

Damals war ich zu jung mit den „Alten“ zu sitzen und zu Alt mich mit den Kindern zu beschäftigen, also machte ich nach dem Abendessen einen Spaziergang. Ich ging zum Fluss, der nur 100 Meter vom Haus entfernt ist. Ich stand vor ihm, überlegte kurz, zog meine Schuhe aus und begab mich in das nicht mehr allzu tiefe Wasser. Es ist kalt und ich spüre die Strömung an meinen Knöcheln. Früher durften wir nicht zu tief rein, heute geht mir das Wasser bis maximal zu den Knien. Das Wasser, welches hier fließt ist klar. 

Es kommt irgendwo aus der Taiga, von einem Berg, habe ich mir sagen lassen, und es wird immer weniger. Die wenigen Menschen brauchen es, denn kaum eine Person hat hier fließend Wasser. Der Fluss verläuft einmal in der Runde, so können die Bewohner ihr Wasser dort holen, wo es für sie am nächsten dran ist. Ich ging zurück und zur Feier des Tages wurde schon die „Banja“ (beheizbarer Waschraum) geheizt. So saß die ganze Familie im Vorraum dessen, mit dem Tisch voller Essen und nach und nach begaben sich die ersten Familienmitglieder in den Waschraum. Frauen gehen mit Frauen, Männer mit Männern der Reihe nach sich waschen. Wenn man alleine möchte, wartet man, bis sich alle gewaschen haben und begibt sich als letzter in diesen warmen Raum. Ich ging rein und nahm mir ein relativ großes Gefäß, in das Gefäß packte ich mir zur Hälfte kaltes Wasser aus einer großen Tonne und zur anderen Hälfte heißes, welches vom Ofen kochend heiß erwärmt wurde. Die Wand besteht aus Baumstämmen, zwischen den Ritzen Moos reingefrückt. Auf dem Boden sind breite Dielen, zwischen den ca. 1 cm Platz, damit das Wasser gut abfließen kann. Es gibt kein Abwassersystem. 

Nach dem Waschen, setzt man sich entweder zu den anderen oder geht ins Haus und legt sich da hin. Ich entschied mich hinzulegen, die Reise war anstrengend. In dem Zimmer, in welchem ich die nächsten Wochen schlafen werde, schlafe ich nicht allein. Auf ca. 6m2 schlafe ich auf dem Bett und meine Cousine neben mir auf dem Boden. Das Bett ist hart und damit man die Matratzenfedern der alten Matratze nicht spürt, liegen noch zwei Decken auf dieser. Ich legte mich hin und hörte den Kühlschrank brummen, welcher sich am Fußende des Bettes befand. Das Zimmer hat dunkelbraun lackierte Dielen, welche bestimmt schon drei mal überlackiert worden sind, da es mehr nach Lack, als nach Holz aussah und die Möbel die rumstanden waren alt. Der Schrank ist wie das Bett aus dem gleichen Pressspahnholz, welches mit einer dunklen Plastikholzoptik verkleidet worden war. Beides müsste aus den 90er Jahren sein, sieht aber aus wie aus den 70ern.

Das Leben ist Russland ist anders als das Leben in Deutschland, welches ich kenne. Auch innerhalb von Russland unterscheidet sich das Leben enorm. Schon aufgrund der unterschiedlichen Klima und der unterschiedlichen Kulturen, welche dort in der Minderheit vertreten sind. Ein Thema, welches mich sehr interessiert und welchem ich gerne irgendwann näher auf den Grund gehen möchte. 


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Kommentare

Eine Antwort zu „Kurzer Einblick in ein anderes Leben“

  1. Avatar von Frida
    Frida

    Eine richtig schöne Erzählung! Da du so detailliert beschrieben hast konnte ich mir die Situationen so bildlich vorstellen :)Du hast mein Interesse geweckt mehr über das Dorf und die Lebensweise in Russland zu lesen.

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