Filmtitel: 12 Years a Slave
Entstehungszeit und -ort: 2013, USA
Laufzeit: 129 Minuten
Regie: Steve McQueen
,,Ich will nicht überleben. Ich will leben“. Das sagt Solomon Northup bei seiner Verschleppung auf ein Dampfschiff in den US-amerikanischen Süden. Nachdem er ausgepeitscht wurde und einer seiner Mitgefangenen vor seinen Augen erstochen wurde. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, auf eine Rückkehr zu seiner Familie, steht im Vordergrund. Doch in dieser Szene, die noch recht am Anfang des Films steht, wissen weder Solomon noch die Zuschauer:innen, wie viel Leid der Protagonist noch aushalten muss und von wie vielen Gewalttaten er Zeuge wird.
Der Film beginnt beschaulich. Die Hauptfigur, Solomon Northup, wird den Zuschauer:innen als intelligenter und begabter Musiker und Familienvater vorgestellt,. In der Gesellschaft der Kleinstadt Saratoga Springs, im Bundesstaat New York, in welcher er lebt, ist er ein angesehener Mann. Zwei Männer, die vorgeben Schausteller zu sein, engagieren Solomon für musikalische Darbietungen in ihren Zirkusshows. Auf den ersten Blick erscheint die Welt von Solomon eine Idylle zu sein, wüssten wir nicht, dass der Film im Jahr 1841 spielt und hätten wir nicht in der ersten kryptischen Szene einen Ausblick auf den Verlauf des Films bekommen.
Denn schon kurz nach seiner Ankunft mit den beiden Schaustellern in Washington D.C., wacht Solomon angekettet in einer Zelle auf. Seine Befreiungsversuche misslingen und ein Mann tritt ein. Dieser nennt Solomon einen Sklaven. Als er seine Situation erklären möchte, wird er ausgepeitscht. Die Kamera zeigt Solomon von unten, mit dem Folterer im Hintergrund. Der Fokus liegt auf den Qualen des Protagonisten. Auch der nächste Shot von Kameramann Sean Bobbitt zeigt eine Ungleichheit auf. Die Folterkammer wird von außen gezeigt und als das Bild nach oben fährt, können die Zuschauer:innen einen Blick auf das Kapitol der Vereinigten Staaten werfen. In diesem Gebäude unweit der Folterkammer soll der Willen des Volkes repräsentiert werden. Zu dieser Zeit aber, wird nur der Willen der weißen Bevölkerung angehört, während schwarze Menschen in Teilen des Landes und in diesem Fall unmittelbar in der Nähe des Kongressgebäudes keinerlei Rechte besitzen. Dieser Shot zeigt auch den schmalen Grat zwischen Freiheit und Unfreiheit, in denen schwarze Menschen zu dieser Zeit leben mussten.
Bei seiner Verschleppung in den Süden der Vereinigten Staaten, planen Solomon und seine Mitgefangenen eine Revolte an Bord des Dampfschiffes, auf dem sie festgehalten werden. Als einer seiner Mitgefangenen erstochen wird und Solomon die Leiche des Mannes über Bord wirft, wird ihm klar, dass es für ihn zunächst doch darum gehen wird, zu überleben. Doch wie sich im Verlauf des Films zeigt, ist seine Hoffnung auf eine Rückkehr zu seiner Familie nicht verschwunden.
Angekommen in New Orleans wird die Entmenschlichung der Sklaven weiter aufgezeigt. Zunächst wird Solomon ein neuer Name zugewiesen. In der nächsten Szene zeigt die Kamera ein Haus, in dem viele Sklaven über mehrere Räume verteilt stehen und Käufer sie begutachten. Die Entmenschlichung in dieser Szene ist kaum zu überbieten. Die Sklaven dürfen nicht reden, werden nach körperlichen Merkmalen den potenziellen Käufern angepriesen. Als Eliza von ihren Kindern getrennt wird, wird Solomon gezwungen Geige zu spielen. Das Spiel der Geige und die verzweifelten Schreie sowie das Weinen der Mutter, zeigen einen Gegensatz auf, der, wie die gesamte Situation, nur schwer zu ertragen ist.
Willkür spielt auf den Farmen eine große Rolle. Wer gegen den Willen der Plantagenbesitzer handelt, wird beseitigt. So geschieht es mit Eliza, die nach dem Verlust ihrer Kinder weiter trauerte. Was mit ihr geschah, wurde nicht explizit dargestellt, allerdings tauchte sie in dem Film nicht mehr auf. Nach einem Streit zwischen Solomon und einem Plantagenaufseher, wollte dieser Solomon aufhängen. Dies wurde zwar verhindert, allerdings wurde Solomon lange Zeit nicht vom Seil befreit. So wirkte die Szene, in der Solomon an einem Galgen hängt, jedoch gerade noch mit den Zehenspitzen den Boden erreicht, wie eine Ewigkeit. Der Todeskampf stand im Vordergrund. Doch nicht nur in dieser Situation. Es ist ein Sinnbild des alltäglichen Kampfs ums Überleben auf den Plantagen im Süden der USA. Im Hintergrund der Szenerie gehen andere Sklaven ihren Tätigkeiten nach. Niemand hilft Solomon, was als Zeichen der Machtlosigkeit interpretiert werden kann.
Dass die Plantagenbesitzer die Sklaven, die für sie arbeiten, als Eigentum betrachten und nicht als Menschen, gibt Edwin Epps, auf dessen Plantage sich Solomon nach dem Streit mit dem Aufseher auf der vorherigen Plantage befindet, zu. Epps rechtfertigt seine Handlungen auch mit der Bibel. Eine Szene zeigt auch die Arbeit der Sklaven auf einer Plantage, während im Hintergrund eine Predigt zu hören ist. Dies veranschaulicht die Ansicht und die Rechtfertigungsversuche der Plantagenbesitzer mit religiösen Inhalten.
Die Gewalt, die in diesem Film häufig vorkommt, wird explizit dargestellt. Der Fokus des Films, aber auch der Gewaltszenen liegt dabei auf den Menschen, die misshandelt werden. Das Leiden, die Schmerzen und die Angst in den Gesichtern der Sklaven sorgen für ein Gefühl des Schreckens, dass es in den Zuschauer:innen auslöst. Doch dieses Gefühl führt mit der zunehmenden Eskalation der Gewalt zu einem Abstumpfen. Sowohl bei Solomon als auch bei den Menschen, die diesen Film sehen. Weil diese Gewalt ständig präsent ist, gibt es fast schon einen Gewöhnungseffekt. Es ist wie ein Schrecken, der nicht mehr endet. Wie etwas, dass zum Leben der Sklaven und zum Anschauen des Films dazugehört, ja sogar ein großer Bestandteil dessen geworden ist.
Der Blick für das Leid der Menschen, die versklavt wurden, macht diesen Film so sehenswert. An einigen Stellen möchte man diesen Film beendet, weil das Grauen nicht mehr aufzuhören scheint und genau das ist es, was die Sklaverei in den USA bedeutete. Leid und das in den allermeisten Fällen ein Leben lang. Die Abhängigkeit von einem Menschen und dessen willkürlicher Behandlung.
Dass Solomon am Ende wieder ein freier Mann wird und nach Hause zu seiner Familie zurückkehrt, kann nicht als Happy End betrachtet werden. Ohne Schuld, ohne Recht sich zu wehren, wurde ihm viel Leid angetan und zwölf Jahre seines Lebens wurden ihm geraubt. Für die absolute Mehrheit der Sklaven in den USA hörte das Leid erst mit dem Tod auf. Für sie wurde Solomons Hoffnung, leben zu können, nicht erfüllt.
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