Einführung
Der Spielfilm „Crossing Over – Der Traum von Amerika” erschien im Jahr 2009. Das Drehbuch und die Regie übernahm Wayne Kramer, dem zuvor mit dem Film „The Cooler – Alles auf Liebe“ der Durchbruch gelang. Bereits 1996 kreierte der in Südafrika geborene Regisseur den Kurzfilm „Crossing Over“, den er dann 2009 neuverfilmen ließ und Fernseh-Stars wie Harrison Ford, Roy Liotta und Ashley Judd dafür ins Boot holte. Bei anderen Filmproduktionen arbeitete er zudem mit Elijah Wood und Paul Walker zusammen und ist damit kein unbekanntes Regisseur-Gesicht in Hollywood.
„Crossing Over“ ist ein gesellschaftskritischer Film, der die Schicksale von mehreren Personen verschiedener Nationalitäten behandelt, die illegal in der USA wohnen und deshalb mit verschiedenen Behörden zu tun haben. Die verschiedenen Einwanderer – darunter eine Mexikanerin, eine Australierin, ein Iraner, ein Südkoreaner, ein Brite und ein Mädchen aus Bangladesch – versuchen die US-Staatsbürgerschaft zu erhalten, um den „American Dream“ leben zu können. Doch bis dahin ist es ein langer und gefährlicher Weg. Nicht ohne Grund steht auf dem Cover der DVD: „Die Grenze zu überwinden ist nur der erste Schritt“. Der Film beschäftigt sich mit der Grenze zwischen Amerika und Mexiko, der Dokumentenfälschung, dem Prozess der Einbürgerung und dem Asyl- und Greencard-Verfahren sowie Terrorismus.
Handlung und Figuren
Den einzig wahren Hauptcharakter in „Crossing Over“ gibt es nicht. Das wird dem Zuschauer sofort klar, nachdem bereits in den ersten paar Minuten des Films nacheinander die Schicksale mehrerer Menschen in Kürze vorgestellt werden. So sieht man den Spezialagenten der Einwanderungsbehörde Max Brogan (gespielt von Harrison Ford), der sich in einem Auffanglager in San Pedro, Kalifornien, über einen Mann mit einem Taubheitsgefühl im Arm sorgt. Kurz darauf wird die Szenerie gewechselt und eine Näherei wird gestürmt, bei der mehrere illegal arbeitende Menschen festgenommen werden – darunter auch eine Mexikanerin namens Mireya Sanchez, die ihren Sohn bei einer Nachbarin untergebracht hat und nun zurück nach Mexiko abgeschoben werden soll. In weiteren kurzen Szenen werden die nächsten Charaktere vorgestellt. Dabei lässt Regisseur Kramer die scheinbar einzeln stehenden Handlungsstränge geschickt an der ein oder anderen Stelle zusammen laufen und sorgt dabei für einen „Wow“-Effekt beim Zuschauer:
Nach der Abschiebung von Sanchez kümmert sich Brogan um ihren kleinen Sohn, bringt ihn zu den Großeltern nach Mexiko und macht sich auf die Suche nach ihrer Mutter, denn diese scheint spurlos verschwunden zu sein. Einige Zeit später wird Sanchez tot an der Grenze aufgefunden. Brogan kehrt daraufhin zu den Großeltern zurück und überbringt ihnen die Nachricht.
Brogan hat zudem einen iranischen Kollegen namens Hamid Baraheri, dessen Schwester Zahra heißt. Diese wird von ihrer Familie nahezu verstoßen, da sie Sex mit einem verheirateten Mann hat. Daraufhin stiftet Baraheri seinen Bruder an, den Mann zu versprügeln. Sowohl jener als auch seine Schwester werden jedoch erschossen und Baraheris Bruder verhaftet.
Cole Frankel (gespielt von Ray Liotta) ist ein korrupter Einwanderungsbeamter, der der Immigrantin und Australierin Claire Shepard eine Greencard besorgen möchte, wenn diese zwei Monate lang mit ihm Sex hat. Daraufhin verliebt sich Frankel jedoch in die Australierin und trennt sich von seiner Frau. Shepard möchte jedoch nichts von ihm wissen, befreit sich von dem Deal und erhält dennoch die gewünschte Greencard.
Gavin Kossef (gespielt von Jim Sturgess) ist ein junger Brite, der sich als religiöser Jude ausgibt, um eine Stelle an einer jüdischen Schule zu erhalten und weiterhin in den USA bleiben zu dürfen – und das, obwohl er Atheist ist. Gleichzeitig ist er der Freund von der zuvor genannten Claire Shepard. Nachdem er von dem Deal zwischen ihr und dem Einwanderungsbeamten erfährt, macht er Schluss mit ihr.
Da der Mann, der mit Zahra eine Affäre hatte, erschossen wurde, wird dessen Geschäft von der Polizei auf den Kopf gestellt. Dabei stellt sich heraus, dass dieser gefälschte Greencards ausstellt. Auch Claire Shepard wollte dort eine solche erwerben. Daraufhin wird ihr Fall nochmal untersucht und sie wird anschließend nach Australien abgeschoben.
Taslima Jahangir ist ein 15-jähriges Mädchen aus Bangladesch. Zusammen mit ihren Geschwistern und ihren Eltern lebt sie bereits seit zwölf Jahren in den USA. In einem Schulreferat fordert sie ihre Mitschüler auf zu verstehen, warum die Attentäter vom 11. September 2001 den Anschlag verübt haben. Daraufhin meldet die Schulleitung sie und das FBI besucht Jahangir zu Hause, weil man sie als eine Terroristin ansieht. Es stellt sich heraus, dass sich Jahangir und ihre Eltern illegal in den USA aufhalten und nun entweder die gesamte Familie ausreisen muss oder aber das Mädchen mit einem Elternteil.
Denise Frankel (gespielt von Ashley Judd) – die Frau von Cole – ist die Anwältin der Familie Jahangir. Sie kann Taslima jedoch nicht helfen. Daraufhin muss das Mädchen, ohne sich von ihrem Vater verabschieden zu können, mit ihrer Mutter das Land verlassen. Frankel erfährt am Ende des Films von den Behörden, dass ihr Mann korrupt ist und eine Affäre hatte. Daraufhin adoptiert sie ein kleines Mädchen aus Nigeria, das bereits seit einigen Jahren in einer Haftanstalt sitzt. Bisher hatte sie ihr Mann immer davon abgehalten.
Zuletzt gibt es noch den südkoreanischen Teenager Yong Kim, der kurz vor seiner Einbürgerung steht und sich allerdings an einem bewaffneten Raubüberfall beteiligt. Zufällig ist Hamid Baraheri vor Ort und tötet Kims Mittäter bei einer Schießerei. Kim lässt er daraufhin laufen und erklärt der eintreffenden Polizei, dass es nur vier Räuber gewesen seien.
Amerika – das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“
Besonders das Ende des Films macht deutlich: Amerika ist nicht das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Denn das Filmende zeigt den feierlichen Tag der Einbürgerung, bei dem nochmal alle Charaktere – die zu dem Zeitpunkt nicht bereits abgeschoben wurden – gezeigt werden. Dem Zuschauer werden somit diejenigen Menschen präsentiert, die den Kampf um die US-Staatsbürgerschaft gewonnen haben und nun den „American Dream“ leben dürfen – der Südkoreaner Yong Kim (der interessanterweise und im Vergleich zu den anderen abgeschobenen Charakteren ja ein wirklicher Krimineller ist), Gavin Kossef, der sich als gläubiger Jude ausgibt, und das kleine Mädchen, das von Denise Frankel adoptiert wurde. Mit einer emotionalen Rede und dem Spruch, dass Amerika ein Land sei, das jeden Bürger mit offenen Armen empfangen würde, wird dem Zuschauer damit ein ganz schönes Brett hingelegt – denn offensichtlich scheint es ja nicht so zu sein.
Illegale Einwanderer, die versuchen ihre Familie zu ernähren, werden fast sofort abgeschoben und vor allem wie eine Sache behandelt. So scheint Max Brogan der einzige Polizist zu sein, der sich um die Gesundheit der Einwanderer sorgt und sich beispielsweise darum kümmert, den Sohn der mexikanischen Frau wieder zu seiner Familie zurück zu bringen. In einer der ersten Szenen wird dies bereits deutlich, da ein anderer Polizist auf Brograns Frage, wie es dem Mann mit dem Taubheitsgefühl im Arm geht, mit so etwas antwortet wie: „Dem wird’s schon gut gehen“.
Wer sich also auf einen Film gefreut hat, den man abends zum Entspannen auf dem Sofa einlegen kann, den muss ich wohl enttäuschen. „Crossing Over“ trieft nur so von politischen Themen wie illegale Einwanderung, Dokumentenfälschung und Korruption und macht einmal mehr deutlich, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Der Zuschauer wird immer wieder zum Nachdenken angeregt und die USA wird als ein Staat dargestellt, der keineswegs tolerant und nachsichtig ist.
Eine Stimmung, die (zu viel) zum Nachdenken anregt
Besonders die letzten Szenen, in denen die Mexikanerin Sanchez tot an der Grenze aufgefunden wird, der Polizist Brogan dies den Großeltern erzählt, die Teenagerin Taslima Jahangir weinend am Flughafen steht und auch die Australierin Claire Shepard gerade das Flugzeug betritt, hinterlassen einen faden Beigeschmack beim Zuschauer. Dann flimmern die Credits über den Bildschirm und ein bedrückendes Gefühl bleibt zurück.
Wayne Kramer versteht es zwar, dem Zuschauer die – zum Teil selbst verschuldeten – Schicksale der Personen näher zu bringen, doch in den insgesamt 108 Minuten des Films gibt es wirklich oft Drama. Eine traurige Szene folgt auf die nächste: ein Pärchen trennt sich, eine Familie verabschiedet sich, Eltern erfahren, dass ihre Tochter tot ist. Kramer unterlegt diese Szenen dann noch mit der passenden traurigen Musik, in der oft Gitarrenklänge zu hören sind, und zeitgleich noch mit langsamen Kamerafahrten um die betroffenen Personen herum und drückt damit beim Zuschauer auf die Tränendrüse. Vor allem die Szene, in der Claire Shepard das erste Mal Sex mit Cole Frankel hat und danach heulend in der Dusche sitzt, schlägt auf den Bauch. Der fast graue Kamerafilter darf dabei natürlich nicht fehlen.
Durch die hohe Anzahl der Charaktere bleibt dem Zuschauer allerdings kaum Zeit, sich wirklich auf jemanden zu konzentrieren und diesen dadurch genauer kennenzulernen – geschweige denn, sich all die Namen zu merken. Ein paar Charaktere weniger hätten dem Film auf jeden Fall gut getan. So kann auch Star Harrison Ford nicht wirklich in seiner Rolle aufgehen und geht schon fast in all dem Trubel unter. Den Charakteren wird kaum eine Hintergrundgeschichte gegeben, die Szenen wechseln gerade zu Anfang des Films sehr schnell hin und her. Verschiedenste Kamerafahrten über Gebäude oder Straßen sorgen dabei für die Ortswechsel. Dennoch schafft es Kramer, die richtige Stimmung zu erzeugen und den Zuschauer zum Mitfühlen und Nachdenken anzuregen.
Fazit
Obwohl „Crossing Over“ bereits mehr als zehn Jahre alt ist, könnte der Spielfilm aktueller nicht sein. Illegale Einwanderungen in die USA sind auch heute noch Alltag. Allein in 2018 lebten schätzungsweise rund 11,39 Millionen Menschen illegal in Amerika [1]. Um jeden Preis versuchen Einwanderer verschiedenster Nationen die US-Staatsbürgerschaft zu erlangen, um ihren persönlichen „American Dream“ leben zu können. Wayne Kramer schafft es, die Schicksale dieser Personen dem Zuschauer näher zu bringen, auch wenn er teilweise zu oft auf die Tränendrüse drückt. Doch vor allem weil die einzelnen Handlungsstränge scheinbar doch ein Ganzes ergeben und es auch heute noch vielen Personen so ergeht wie den Charakteren im Film, würde ich persönlich den Film jedem weiterempfehlen wollen – nur eben nicht als Film für einen entspannten Sofa-Abend.
[1] Statista (2022): Anzahl illegaler Einwanderer in den USA im Jahr 2018 nach Herkunftsländern. Online unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/162288/umfrage/herkunftslaender-illegaler-einwanderer-in-den-usa/ (Stand: 05.01.2022).
von Josefine Battermann
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