Einführung

Sicario erschien im Jahr im Jahr 2015 und wurde unter der Regie von Denis Villeneuve gedreht. Denis Villeneuve konnte in den letzten Jahren vor allem mit Science-Fiction Filmen wie Arrival, Blade Runner 2049 und in diesem Jahr mit Dune auf sich aufmerksam machen. Sicario ist jedoch ein Action-Thriller rund um mexikanische Kartelle und wie amerikanische Behörden gegen diese vorgehen. Die Handlung lässt sich wie folgt zusammenfassen.

Kate Macer, gespielt von Emily Blunt, ist eine FBI-Agenten mit stark gefestigten Moralvorstellungen. Aufgrund eines Vorfalles in einem Safehouse wird sie für eine Spezialeinheit unter der Leitung von Matt Graver, gespielt von Josh Brolin, empfohlen. Diese bekämpft aktiv die mexikanischen Drogenkartelle vor allem auf der mexikanischen Seite der Grenze. Ihre neueste Mission richtet sich gegen einen der mächtigsten Drogenbarone Mexikos. Ihnen zur Seite steht dabei der mysteriöse Alejandro Gillick, verkörpert von Benicio del Toro.  Früh muss Kate lernen, dass ihre moralischen Grundwerte ihr in dieser Gruppe nicht weiter helfen werden. Sie wird verstrickt in eine Welt voller Gewalt, Paranoia und versteckter Motive.

Die Tonalität

Bereits in den ersten fünf Minuten macht Sicario deutliche welche Atmosphäre sich durch den gesamten Film tragen wird. Während der Stürmung eines Safehouses entdeckt, das FBI durch einen Zufall bereits verrottete Leichen. Schnell wird klar, dass bis zu 40 Körper hier in einem Haus versteckt sind. Es entstehen Bilder, die so auch in einem Horrorfilm vorkommen könnten. Es ist jedoch nicht nur die dargestellte Brutalität, die bereits diese Anfangssequenz so bedrückend macht. Auch die Reaktion von Kate Macer die auch als ausgebildete FBI-Agentin nur mit Schock reagieren kann trägt viel dazu bei. Als ob dies alles noch nicht genug wäre kommt es schließlich noch zu einer Explosion die, die Hauptfiguren nur durch Zufall überleben. Zwei Dinge machen diese ersten fünf bis zehn Minuten also gleich von Beginn an klar. Sicario wird ein äußerst brutaler Film und nichts ist gewiss. Mit dieser überaus düsteren Stimmung wird zu keinem Zeitpunkt gebrochen. Wenn das Team von Matt Graver die Grenze überfährt, ist das erste was sie sehen misshandelte Leichen, die unter eine Brücke gehängt wurden, einzig um ein Zeichen zu setzen. Selbst augenscheinlich gute Momente, wie wenn Kate einen alten Freund ihres Partners Reggie, dargestellt von Daniel Kaluuya, trifft und mit diesem intim werden möchte dreht sich die Situation schnell. Der sympathische Polizist stellt sich als korrupt, für das Kartell arbeitend, heraus und versucht Kate zu erwürgen als seine Tarnung auffliegt. Matt Graver scheint auf den ersten Blick mit seiner lockeren Art und Weise die Dinge anzugehen erst für ein wenig Leichtigkeit zu sorgen. Er trägt zu wichtigen Meetings Flip-Flops und hat immer einen flapsigen Spruch auf den Lippen. Dies trägt aber genauso zu der Stimmung bei wie alles andere. Matt macht seine Scherze vor allem in Situationen, in denen sie völlig unpassend und auf die Kosten anderer gehen.

Regie und Kamera

Denis Villeneuve ist vor allem in seinen jüngeren Filmen immer wieder auch durch seine Vorliebe für lange Landschaftsaufnahmen und damit in Verbindung langsame Kamerafahrten aufgefallen. Diese nutzte er bereits in Sicario. Wo in Filmen wie Blade Runner 2049 und Dune diese aber genutzt werden, um eine gewisse Schönheit und Erhabenheit zu präsentieren, haben sie in diesem Film einen etwas anderen nutzen. Vor allem im Zusammenspiel mit der Musik wirken diese Einstellungen, bei denen meistens Teile von Mexiko und der Grenze gezeigt werden, bedrohlich und ominös. Es entsteht so etwas wie ein Angstgefühl, nur vor der amerikanisch-mexikanischen Grenze, bevor sie im Film überhaupt überschritten wird.

Viel zu dieser Angst trägt aber auch Kameramann Roger Deakins bei. Zunächst einmal verzichtet der Film weitestgehend auf Filter und benutzt viel natürliches Licht. Damit stellt er sich zum Teil gegen andere große Filme die, die Gebiete jenseits der Grenze gerne mal in einem permanenten orangen Licht zeigen. Hier also wieder ein Fingerzeig auf den angestrebten Realismus des Filmes. Das natürliche Licht wird aber nicht nur dafür genutzt. In einer der eindrucksvollsten Szenen des Filmes betritt die Spezialeinheit einen Tunnel, der die beiden Landesgrenzen miteinander verbindet. Vor einer untergehenden Sonne verschwindet nach und nach jeder der Bewaffneten in der Dunkelheit. Wortwörtlich könnte es so ausgedrückt werden, dass die Figuren vom Licht in den Schatten wechseln. Zum ersten Mal werden in diesem Moment auch Filter angewendet, jedoch nur um die Nachtsicht der Helme zu simulieren. Darin sehen die Soldaten verzerrt und unnatürlich aus, was für noch mehr Anspannung sorgt.

Abschließend soll in dieser Sektion noch einmal auf eine herausragende Szene hingewiesen werden, bei der die Qualität von Regie und Kamera noch einmal deutlich wird. Auf dem Rückweg aus der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez gerät die Einheit mit Kate Macer in einen Stau. Nur durch die Kameraführung wird dem Zuschauer, genauso wie dem Team, klar, dass etwas mit einigen den anderen Autofahrern nicht stimmt. Sie sind bewaffnet, anscheinend Attentäter des Kartells. Ohne zu zögern, werden sie von den Männern von Matt Graver auf offener Straße erschossen. Die Spannung in dieser Szene, wozu auch die dröhnende Musik beiträgt, ist beinahe greifbar.

Die fehlenden Helden

Kate Macer ist die klare Protagonistin des Filmes, sie ist jedoch keine Heldin im klassischen Sinne. Für einen großen Teil des Filmes wird sie von der Spezialeinheit nur durch die Gegend geschubst, ohne zu wissen was ihre Anwesenheit eigentlich für einen Zweck hat. Erst gegen Ende erfährt sie, dass sie als FBi Agentin nur aus rechtlichen Zwecken da ist, die CIA kann sonst nicht legal auf mexikanischen Boden agieren. Ihr Präsenz ist nicht mehr als eine Formalität. Trotzdem ist sie so essenziell für den Film, weil sie für den Zuschauer der moralische Anker ist. Eine ähnliche Rolle erfüllt ihr Partner Reggie, der ihr in diesen schwierigen Situationen beisteht. Eine echte Heldenrolle kann trotzdem keiner von beiden einnehmen. Dafür stehen sie den Machenschaften beider Seiten zu machtlos gegenüber, denen des Kartells aber auch ihres eigenen Landes.

Matt Graver und sein Partner Alejandro wirken am Anfang des Filmes noch wie raue Anti-Helden. Die Archetypen von zwei bereits erfahrenen Soldaten, die einfach zu viel gesehen haben und die harte Realität des Drogenkrieges kennen. Im Falle von Matt wird dieses Bild aber schnell korrigiert. Graver hadert im Verlaufe des Filmes zu keiner Sekunde mit den brutalen Methoden seiner Einheit. In einer der Schlüsselszenen sitzt er sogar pfeifend daneben, während die Folterung eins Mitgliedes des Kartells vorbereitet wird. Am Ende stellt er sich sogar beinahe als Antagonist gegenüber Kate auf, nachdem sie den wahren Zweck seines Teams herausfindet. Jedoch verzichtet er auf schlimmere Gewalt gegen sie. Er verkörpert das Bild eines Soldaten, der eben tut, was nötig ist aber auch nicht mehr. In seinem Fall heißt dies den Drogenkrieg zu stabilisieren, in dem ein von amerikanischer Seite eingesetztes Kartell die Macht darüber hat.

Sein Gegenstück ist Alejandro, der die vielleicht wichtigste Figur des Filmes. Erst im letzten Drittel des Filmes wird deutlich, dass er der namensgebende Sicario ist, ein Auftragskiller. Zuvor wirkt er über lange Strecken des Filmes als das der angenehmere Partner von Matt Graver. Er rettet Kate vor einem korrupten Polizisten und ist im Allgemeinen ihr gegenüber zugänglicher, wenn auch geheimnisvoll. An den Methoden der Spezialeinheit beteiligt er sich jedoch genauso und ist häufig sogar der ausführende. Am Ende wird klar wieso, Alejandro ist der Krieg gegen die Drogen egal. Er möchte nur seine ganz persönliche Rache, für den Mord an seiner Frau und seiner Tochter. Für ihn und die amerikanischen Spezialeinheiten ist es fast eine Art Tauschhandel. Alejandro bringt für sie den gesuchten Drogenbaron um und er bekommt seine Rache. Dies kulminiert in einer Szene in dem der Gesuchte Fausto Alarcón, Alejandro klarzumachen versucht, dass sie Beide nicht so unterschiedlich sind und der Mord nichts Persönliches war. Für Alejandro spielt dies jedoch alles keine Rolle und erschießt erst seine Familie und dann Alarcón.

Der Film hat keine Helden, macht aber auch deutlich, dass es keine echten Antagonisten gibt. Am deutlichsten wird das anhand des mexikanischen Polizisten Silvio.  Dieser arbeitet für das Kartell, ist jedoch nicht mehr als ein Kurier. In wenigen Szenen wird er mit seiner Familie zusammen gezeigt. In diesen zeigt sich, dass er zu mindestens gegenüber seinem Sohn ein guter Vater ist und so etwas wie ein normales Familienleben versucht aufrecht zu erhalten. Am Ende wird er von Alejandro erschossen, da er seinen Nutzen als Geißel erfüllt hat. Auch hier, wie bei vielen Beispielen zuvor zeigt sich, dass die mexikanische und amerikanische Seite nur wenig Unterschiede trennen und es keine Einteilung in Gut und Böse geben kann.

Resignation

Ein weiteres wichtiges Motiv wird in der letzten Szene noch einmal herausgekehrt. Kate Macer droht nach den Ereignissen alles öffentlich zu machen. Alejandro jedoch erkauft sich mit einer Morddrohung ihr Schweigen. Im letzten Moment wirkt es so als ob Kate ihn doch noch erschießt, senkt aber schließlich doch die Waffe. Die letzte Einstellung zeigt Kinder beim Fußball spielen. Sie halten kurz inne, nach dem Schüsse in der Ferne zu hören sind und machen dann unbeirrt weiter.

Solche Beispiele für die Resignation in den mexikanischen Städten an der Grenze gibt es viele im Film. Dazu gehört auch der Schusswechsel kurz vor der Grenze. Die anderen Autofahrer reagieren gar nicht auf die Toten. Matt Graver fasst es schließlich passend zusammen, dass keine Zeitung darüber berichten wird. Auch in der Nacht kann die Spezialeinheit Explosionen in der Stadt beobachten. Für ihre Bewohner ist dies Normalität. Das Motiv der Resignation ist aber auch auf bei den Amerikanern zu sehen. Das Team von Matt Graver will den Drogenkrieg gar nicht gewinnen. Stattdessen ist es ihr Plan ihn zu kontrollieren. Nicht aus Gier, sondern weil sie anscheinend keine andere Möglichkeit mehr sehen und sich damit abgefunden haben. Kate Macer fügt sie schließlich als letztes in die Gleichgültigkeit. Den ganzen Film über versuchen sie und Reggie ihre moralischen Werte hochzuhalten, ohne dass es einen Unterschied macht. Am Ende wird ihr klar, dass sie Matt und Alejandro völlig ausgeliefert ist. Beide überwältigen sie mit Leichtigkeit, Gillick hält ihr die Waffe direkt unter das Kinn. Sie erschießt ihn nicht, da ihr klar ist, dass nach ihm einfach ein weiterer Mann wie Alejandro Gillick kommen wird.

Fazit

Der gesellschaftliche und künstlerische Wert von Sicario kann nicht genug hervorgehoben werden. Nur sehr wenig Filme stellen die bittere Realität des mexikanischen Drogenkrieges so deutlich dar, in so beeindruckenden Bildern. Es wird nicht verschönt oder durch überzeichnete Heldenfiguren irgendwie verwässert. Trotzdem ist Sicario alles andere als unterhaltend oder kurzweilig. Die düstere Atmosphäre ist eben genau das, düster und unangenehm. Dies sind nicht unbedingt die Qualitäten von leichter Abendunterhaltung. Es sind in meinen Augen aber vor allem auch die Hauptfiguren, die dazu beitragen. Genauso wie Kate Macer wird auch der Zuschauer lange Zeit durch die Handlung geschubst. Über weite Strecken wird erst einmal nicht klar, worum es eigentlich geht, eben wie es Kate auch nicht klar ist. Dies kann für den Zuschauer sehr unbefriedigend sein. Ein Gefühl was durch, dass Ende noch einmal gesteigert wird. Es gibt hier kein Happy End oder wenigstens etwas ähnliches. Die Hauptfigur ist gebrochen und wird auch so zurückgelassen.

Ich halte all dies aber trotzdem für gewollt und beabsichtigt. Auch die Realität an der mexikanisch-amerikanischen Grenze sieht so aus. Denis Villeneuve hat mit Sicario genau dies eingefangen und wirft wichtige Fragen auf. Welche Methoden sind zu rechtfertigen? Ist Moral etwas wert gegenüber der Realität? Welchen Preis zahlt Amerika im Krieg gegen die Drogen? Alles Fragen die jeder für sich selbst beantworten muss. Allein dafür ist es wert Sicario einmal gesehen zu haben.

Von Lukas Warnecke