Feb 14 2023
Objektbeschreibung
Die Zeit
Sie sah sich um, dieser wundervoll vollgestopfte Laden. Sie fühlte sich, als würde die Luft um sie herum vibrieren. Alles roch nach Geschichte und verlorenen Erinnerungen.
Doch das war es, was sie so liebte.
Die Gegenstände alle einzeln zu betrachten und sich Geschichten zu ihrer Vergangenheit auszudenken. Sich in ihnen zu verlieren.
Der Gegenstand, der sie gerade am meisten in den Bann zog, war eine alte, schlichte Taschenuhr aus Gold, mit oben angebrachter Kette.
Sie stellte sich vor, dass diese Uhr vor hundert Jahren hergestellt wurde und dann in ein fernes Land gesandt wurde. Sie reiste erst mit dem Schiff, quer übers Meer und dann per Zug weiter. Wo sie dann irgendwann in einer kleinen, doch reichen Stadt im Schaufenster landete.
Auf ihrer Reise bis dorthin, müsse sie bestimmt schon viel erlebt haben, dachte sich die junge Frau.
Sie schaute sehnsüchtig die Uhr an. Sie fiel zurück in ihre Fantasie.
Nicht nur über das Meer, auch über Berge und durch Steppen, war sie transportiert worden.
Doch nun stand sie ausgestellt im Fenster, eines kleinen Ladens und konnte die ganzen Menschen bewundern, die in ihren bunten Kleidern an ihr vorbeischlenderten.
Es war Sommer, somit war ein ganzes Meer aus Farben zu bestaunen. Die Damen in ihren Kleidern, mit dem farblich dazu passenden Hut und Schirm. Die Heeren im ihrer Frau, farblich angepassten Gewand.
An einem wunderschönen Sommertag, die Sonne schien, der Wind streifte als leichte Brise durch die Straßen und jeder war in ausgelassener Stimmung, blieb eine junge Frau vor der Scheibe, des kleinen Geschäfts stehen.
Sie war unterwegs gewesen, um ihrem Elternhaus, in dem sie derzeit noch lebte zu entkommen.
Denn ihre Hochzeit stand demnächst an und das gesamte Haus spielte verrückt.
Sie interessierte es nicht, welche Blumengestecke und farblich abgestimmten Tischtücher es wurden.
Alles was für sie zählte war, dass sie an dem Tag endlich, mit ihrem besten Freund und Verlobten, ihr gemeinsames Leben beginnen würde.
Sie hatte die Uhr schon öfter betrachtet, doch dieses Mal ging sie in den Laden und beschloss die Taschenuhr, als Hochzeit für ihren Mann zu kaufen.
Es gab doch kein besseres Geschenk, als etwas das als Symbole für Zeit und Leben stehen kann.
Sie wusste, dass sie ihre auf Erden verbliebene Zeit, mit ihrem Mann und zukünftigen Kindern teilen würde. Das wollte sie mit dieser Uhr zelebrieren und festhalten.
Und wenn ihre Kinder, eines Tages heiraten würden. Würde diese Taschenuhr als Erbstück, jeder Generation weiter gegen werden, dafür würde sie in ihrem Testament sorgen.
Damit die Uhr nicht nur ihr Glück sondern, das ihrer gesamten Nachfahren mit erleben und in sich tragen würde.
Sie stellte sich vor, dass in hundert Jahren jemand die Taschenuhr in den Händen halten würde und das gleiche wie sie verspürte. Zuversicht für eine glückliche Zukunft.
Das Mädchen legte die Uhr, die sie während der ganzen Zeit in den Händen gehalten hatte, zurück an ihren Platz und hoffte sehr, dass der nächste Besitzer sich seinem Schatz bewusst war.
Und das gleiche fühlen konnte, wie die Dame vor hundert Jahren, wenn er die Uhr in den Händen hielt oder in der Tasche bei sich trug.
Ein schöner Text.. Genau wie die Frau bin ich ebenfalls in die Fantasie hineingezogen wurden. Das finde ich das schönste an Geschichten, dass man an einen anderen Ort transportiert werden kann. Ich finde das du das echt gut dargestellt hast! Es nimmt die Uhr und macht etwas besonderes daraus.. Die Skizzen zu der Uhr sind ebenfalls toll und helfen das Bild der Geschichte zu malen..