Einen Text über einen Gegenstand zu schreiben klingt erstmal etwas seltsam, aber es fiel mir doch leichter als ich es sofort erwartet hätte. Ich hatte mich für meinen eigenen Gegenstand, eine Dose mit Plektren, entschieden, weil mir da sofort eine Assoziation in den Kopf kam. Hier also eine kleine Fan-Band-Liebesgeschichte rund um ein schwarzes Dunlop Plektrum.
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Ihr Blick lag auf dem Plektrum in ihrer Hand, mit dem Finger fuhr sie über die leichten Erhebungen am oberen Teil des Pleks. Irgendwie wirkte dieses schwarze Plektrum viel zu verloren in ihrer hellen Hand. Es war gewiss nicht das erste Mal, dass sie ein Plektrum bei einem der Konzerte bekommen hatte, es war nicht das erste Mal, dass sie ein Plektrum von ihm bekommen hatte, die immer gleichen Schwarzen, Dunlop Plektren. Doch irgendwas war diesmal anders, das Plektrum fühlt sich schwerer an, aber war es das auch wirklich? Oder war es nur bedeutsamer geworden, durch den Moment, in dem er ihr das Plektrum gegeben hatte?
Ihre Gedanken schwiffen zurück zu dem Moment vor einigen Minuten. Die Band hatte ihre letzten Töne gespielt, er war vorne an die Bühne heran getreten und ihre Blicke hatten sich getroffen, wie so oft an diesem Abend und an all den vielen Abenden davor. Er hatte sich runter gebäugt und die Setlist vom Boden geplückt, irgendwem in die Hand gedrückt, während sein Blick immer noch auf ihr lag. Sie sah ihn an, wusste nicht, was sie davon halten sollte, dass er sie so starr anblickte, hier wo jeder es beobachten konnte. ,,Hand auf.“, sagte er zu ihr und sie tat genau das. Kaum merkbar fiel das Plektrum in ihre Hand und er schloss sanft ihre Hand, damit das Plektrum nicht heraus fiel. ,,Ich freu mich wirklich immer dich zu sehen und ich hoffe das Plektrum erinnert dich, dass wir immer ein Zuhause für dich sind“, hatte er gesagt und ihre Hand zwischen seine Hände genommen. Sie sah ihn an und lächelte verlegen, war zu überfordert klare Worte heraus zu bringen, während ein wohliges Gefühl ihren Körper durchfloss. Ja, er war ihr Zuhause, seine Band ebenso und dieses Plektrum würde sie definitiv erinnern, erinnern an die Gefühle, die sie gerade verspürte. Erinnern für die Zeit, in der sie wieder in die Realität musste, nicht in diese Parallelwelt flüchten konnte.
Sie seufzte schwer. Die Realität war das Letzte, an das sie gerade denken wollte. Ihre Realität, die sie seit Jahren so unfassbar hasste und ändern wollte. Sie wollte, dass das hier ihre Realität war. Das sie mit dem Geld verdienen konnte, was sie liebte.
,,Du stehst ja immer noch hier.“ – Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. ,,Warst du wieder in deiner eigenen Welt unterwegs?“, fragte er und lächelte sie an. ,,Eher in der Welt, die ich gerne hätte.“, sagte sie unsicher und blickte auf das Plektrum in ihrer Hand. Sein Blick lag auf ihr, nachdenklich wie so oft. ,,Ich verstehe nicht, aber komm mal mit. Ich wollte sowieso noch mit dir reden.“, sagte er und nahm ihre Hand.
Überfordert folgte sie ihm, raus aus dem Club, eine Treppe hinauf und durch zwei Türen. ,,Das ist das zweite Mal, dass ich bei euch im Backstage bin.“, stellte sie grinsend fest. ,,Fühl dich wie zuhause.“, sagte er und deutete auf das Sofa. ,,Das tue ich schon seit ihr auf die Bühne gegangen seid. Das tue ich immer bei euch und ich glaube das weißt du.“, sagte sie lächelnd, setzte sich hin und nahm ihre Tasche ab. ,,Du bist aber auch ein wenig wie nach Hause kommen.“, gab er zu und stellte ihr eine Flasche Wasser hin. Ihre Wangen färbten sich leicht rot. Es überforderte sie, sowas von ihm zu hören. ,,Danke.“, sagte sie, wusste nicht, was sie sonst noch sagen sollte.
In einem Moment des Schweigens, wühlte sie durch ihre Tasche, suchte die wichtigste Sache, die Dose, die sie immer dabei hatte. ,,Was hast du da?“, fragte er, weil er das Klappern der Dose hörte. Sie lächelte leicht. ,,Ganz viele Erinnerungen an Zuhause.“, sagte sie, öffnete die Dose und legte das heutige Plektrum zu den anderen, bevor sie ihm die Dose reichte.
Lächelnd betrachtete er die Pleks in der Dose, die meisten waren entweder die Schwarzen Dunlop Plektren von ihm oder die Grünen Plektren von seinem Bandkollegen. Aber er fand auch ihm unbekannte Plektren darin wieder. ,,Das ist süß.“, sagte er leise und stellte die geschlossene Metaldose vor sich auf den Tisch. ,,Was war eigentlich vorher mal in der Dose?“, fragte er, als er sah, das oben ein Spruch drauf stand. Sie lachte etwas und erwiderte:,,Minzpastillen, aber meine Mutter meinte, so eine Dose muss man nicht wegschmeißen und hat dann die Plektren da rein getan.“ ,,Das ist sehr cool. Wie viele Jahre sammelst du die denn jetzt schon darin?“, fragte er neugierig. ,,Das sind jetzt fast genau zwei Jahre. Die von den Jahren davor liegen in meiner Wohnung.“, erwiderte sie.
,,Gibt es eins, was dir am meisten bedeutet?“, fragte er. Sie wurde leicht rot und antwortete:,,Das von vorhin.“ ,,Warum genau das?“, fragte er und lächelte sie an. ,,Wegen dem Gefühl in dem Moment, wo du es mir gegeben hast und wegen dem was du gesagt hast.“, gestand sie und lächelte leicht. ,,Ja, irgendwie…Es hat sich gut angefühlt. Auch vor 2 Wochen schon beim letzten Plektrum.“, stammelte er verlegen. Ihre Blicke trafen sich, sie war unsicher, weil sie nicht wusste, ob sie ihren Gedanken aussprechen sollte. ,,Es fühlt sich seit Monaten schon verdammt gut an.“, sagte sie leise. Auch wenn das nur ein Teil der Wahrheit war, es war ein Anfang. ,,Irgendwas ist intensiver an unserer Bindung geworden und vielleicht sollte das eigentlich nicht so sein, aber manchmal muss man auch gegen ungeschriebene Regeln arbeiten, vor allem bei Sachen, die man nicht beeinflussen kann.“, entgegnete er und musste lachen, als er ihre Verwirrung sah.
,,Reden wir Klartext?“, fragte sie nach einem Moment des Schweigens. Sie war sich sicher, es jetzt einfach zu sagen und wenn alles scheiße laufen sollte, müsste sie sich halt eine neue Band suchen. ,,Wer zuerst?“, fragte er lächelnd. ,,Ich habs vorgeschlagen, also fang ich an.“, sagte sie und atmete noch einmal tief durch. ,,Erstmal zu der Welt, die ich gerne hätte. Ich hasse meine Realität, ich hasse es, dass sich jedes Konzert wie eine scheiß Parallelwelt zu meiner öden und ereignislosen Realität anfühlt. Ich will meinen dummen Job nicht mehr, ich will das machen, was ich wirklich liebe. Auf Tour sein und vielleicht auch wieder Fotografie, aber das ist alles nicht so leicht. Und zweitens, es fühlt sich immer gut an bei euch zu sein, aber vor allem fühl ich mich in deiner Gegenwart sehr wohl; wohler als ich es vielleicht als Fan sollte.“, erzählte sie. Ihr fiel es schwer, ihre Gefühlswelt komplett offen zu legen, war es doch das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, dass jemand seinen Weg in ihr Herz gefunden hatte. ,,Deswegen wollte ich mit dir reden, also wegen beidem.“, entgegnete er und lächelte verlegen.
Verwirrt sah sie ihn an, deutete ihm an weiter zu reden. „Unser Manager hört zum Ende des Monats auf und wir dachten, das man dich mal fragen könnte, ob du Lust hast. Du hast Ahnung von Management, kennst dich mit unseren Fans aus und bist seit Jahren schon dabei.“, erklärte er und lächelte sie an. Sie brauchte einen Moment um zu realisieren, was gerade passierte. ,,Das…das ist…ich weiß nicht, was ich sagen soll.“, stammelte sie und sah ihn immer noch sehr ungläubig an. ,,Du musst das nicht jetzt entscheiden.Vor allem nicht bevor ich dir eine andere Sache erzählt habe.“, erwiderte er und lächelte. ,,Ich entscheide aber jetzt, dass ich das Angebot annehme und dann kannst du weiter reden.“, sagte sie und grinste. Sie wäre schön blöd, wenn sie das Angebot nicht annehmen würde.
,,Also, da ist noch was.“, begann er zu erzählen. ,,Ja?“, fragte sie und sah ihn unsicher an. ,,Mir geht es genauso wie dir, ich fühle mich in deiner Gegenwart auch viel wohler als ich es vielleicht in Gegenwart eines Fans sollte. Eigentlich wollte ich dir das nie sagen, aber die anderen haben es auch mehr als gemerkt und mich bestärkt, dass ich es dir sage. Du bist ja ohnehin outstanding aus dem Rest. Also, ich fühle mich so wohl in deiner Gegenwart, weil ich mich in dich verliebt habe.“, erklärte er und sah sie erwartungsvoll an.
,,Ich mag dich auch sehr. Vielleicht sollte sowas eigentlich nicht passieren, aber wie du gesagt hast, bei Sachen, die man nicht beeinflussen kann, muss man manchmal auch die ungeschriebenen Gesetze brechen.“, erwiderte sie, lächelte verlegen und überbrückte etwas die Distanz zu ihm.
,,Ja, lass uns die ungeschriebenen Regeln brechen.“, sagte er lächelnd, überbrückte die restliche Distanz und verband ihre Lippen zu einem Kuss.
Zwischen zwei Küssen glitt ihr Blick zu ihrer Plektrum Dose. Ja, das heutige Plektrum hatte wirklich viel mehr Bedeutung, aber nicht wegen dem Moment kurz nach dem Konzert, sondern weil es den Tag markierte an dem aus ihnen beiden viel mehr wurde als Bandmitglied und Fan.