rv 08 Mathematik ist nichts für Mädchen? Die Genderfrage und ihre Rolle für Mathematik(unterricht)


  1. Nennen Sie drei zentrale Aspekte, die für eine gendersensible Gestaltung des Mathematik-Unterrichts von Bedeutung sind und erläutern diese kurz. Wählen Sie eines Ihrer Unterrichtsfächer, das nicht Mathematik ist. Inwiefern sind diese Aspekte auch Ihrem Fach relevant?

Ein Aspekt, der für eine gendersensible Gestaltung des Unterrichts wichtig ist, ist die Auflösung von Vorstellungen, binären, heteronormativen Vorstellungen, die von Geschlechterrollen geprägt sind. Dies ist sollte jedoch nicht nur im Matheunterricht geschehen, sondern in allen Fächern.

Insbesondere im Matheunterricht, sollten Lehrkräfte ihre Erwartungshaltung und Vorurteile reflektieren und sich bewusst sein, dass Mädchen Talente und Begabungen im mathematischen Bereich weniger zugesprochen werden. Diese äußerlichen Zuschreibungen werden anschließend internalisiert, sodass Mädchen davon ausgehen, dass sie Mathe sowieso nicht könnten, obwohl sie beispielsweise gute Noten haben.

Auch wenn es gut gemeint ist, sollte hier „nicht etwa an vermeintlichen geschlechterdifferenten Interessen, Erfahrungen oder Lebenswelten“ angeknüpft werden (Mischau/ Eilerts 2018: 127), „da eine solche differenztheoretische Perspektive nicht selten mit alten wie neuen Stereotypisierungen verbunden ist“ (ebd.). Für Mischau und Eilerts (ebd.) bedeutet eine gendersensible Gestaltung, dass eine „(de-)konstruktivistische Perspektive auf Prozesse des „doing gender“ im Mathematikunterricht einzunehmen“ ist. Datenerhebungen zur Schuhanzahl zwischen Mädchen und Jungen verstärkt so einerseits Stereotype und nimmt zudem Gender als binär war. Interessant ist außerdem, dass nach Ott, in Schulbüchern häufig auf „undoing gender“ ausgrichtet ist, bei dem (vermeintliche) geschlechterUnterschiede thematisiert werden, um sie anschließend zu reflektieren, dekonstruieren oder problematisieren (Ott 2021: 173)

Besonders im Englischunterricht sollte ebenfalls darauf geachtet werden, welche Situationen in Beispielen und Übungen genutzt werden, und inwieweit sie Stereotype wiedergeben. Dies ist insbesondere deswegen relevant, da verglichen mit dem Mathematikunterricht, im Englischunterricht weit mehr Situationen entstehen können (z.B. durch mehr Texte), in denen es nötig ist, gendersensibel zu agieren. Je nach Klassenstufe und Englisch Niveau könnten hier sogar auch im Unterricht auf das Thema Gender eingegangen werden.

  1. Erinnern Sie sich an eine Unterrichtsstunde, die Sie vorbereitet oder beobachtet haben. Inwiefern spielte eine gendersensible Gestaltung bei der Vorbereitung eine Rolle? Würden Sie es heute wieder so machen? Was würden Sie ggf. ändern?

Hinsichtlich einer gendersensiblen Gestaltung im Englischunterricht habe ich insbesondere die Unterrichtsstunden in Erinnerung, in denen es unteranderem um das Thema Beruf ging. Aus verschiedenen Gründen waren die mir zu Verfügung stehenden Lehrbücher und online Ressourcen nicht passend für den geplanten Unterricht in der Klasse. Bei der Gestaltung eigener Materialien wollte ich darauf achten, im Text und auf Bildern möglichst keine stereotypen Darstellungen zu reproduzieren. Für das Arbeitsblatt habe ich im Internet nach Stockphotos zu verschiedenen Berufen gesucht. Gab man die Suchbegriffe „Stock photo mechanic“ ein, waren auf den Bildern hauptsächlich männlich gelesene Personen abgebildet, Frauen hingegen nur vereinzelt und es bedurfte der Ergänzung des Suchbegriffs „female“ o.ä. Zwar wurden nun zum Großteil weiblich gelesene Personen bei der Arbeit gezeigt, auf einigen Fotos jedoch wurden sie jedoch in sexualisierten Posen oder Kleidung gezeigt (Beispielsweise wie sie sich mit Bikinioberteil, kurzer Hose und High Heels über den Motor beugen). Häufig waren letztere Bilder mit Wörtern wie „hot“ oder „sexy“, beschrieben. Doch auch einige der nicht sexualisierten Bilder waren mit Wörtern wie „beautiful“ oder „handsome female mechanic“ beschrieben. Der Rest beinhaltete Beschreibungen der Aktivität (z.B. changing a tire, working, …), die jedoch alle mit dem Zusatz „female“ oder „woman“ versehen waren. Auch bei den männlich gelesenen Personen auf den Bildern wurde zum Teil die beschreibung „handsome“ oder „hot“ benutzt, hingegen auch weitere Adjektive wie greasy, friendly oder tired verwendet, bis man zu einem sexualisierten Bild von Männern kam, musste man zum einen deutlich länger scrollen, zum anderen schien es so, als ob es generell weniger solcher Fotos geben würde. Suchte man hingegen nach Stock photos zu „nurse“, also Krankenpfleger:innen, wurden zunächst hauptsächlich weiblich gelesene Personen angezeigt, was erst durch den Zusatz „male“ verändert wurde.

Allein die Suche nach den Bildern zeigt, wie leicht es fällt, Stereotype zu reproduzieren, wenn man beispielsweise einfach die ersten der angezeigten Fotos nutzt und nicht extra noch die Suche erweitert.

Ein ähnliches Beispiel (zwar nicht im Bezug auf Gendersensibilität) zeigt, das auch den Schüler:innen diese vermeintlich kleinen Dinge auffallen. Für eine Grammatikübung zum Bilden der Zeitformen hatte ich ein Arbeitsblatt aus einem Buch kopiert. Während der Bearbeitung fragte ein Schüler: „Warum haben die eigentlich alle so komische Namen?  Alle heißen Peter oder Susan.“

 

  1. Wählen Sie ein Schulbuch Ihrer Wahl zu einem Ihrer Fächer und analysieren einen Abschnitt hinsichtlich gendersensibler Gestaltung. Gehen Sie dabei auf die Verwendung von Darstellungen/Fotos sowie die sprachliche Gestaltung ein. Machen Sie ähnliche Entdeckungen wie Parise (2021) [zu finden auf Stud.IP]?

 

 

Auch wenn ich die Abbildungen und Fotos im Buch „Cool. Englisch zur Berufsvorbereitung“ (King, Rosenkranz, Vernon 1999) nicht genau nachgezählt habe, ergibt sich hier der Eindruck, dass das Verhältnis zwischen männlich und weiblich gelesenen Personen recht ausgeglichen ist, männliche Personen jedoch leicht überwiegen.

Problematischer kommt mir hingegen eher die Beschreibung und die Tätigkeiten vor, in deren Zusammenhang Frauen im Buch vorkommen. Zusammenhängend mit der oben beschriebenen Situation rund um das Thema Beruf, fällt bei der Nutzung des Buches „Cool! Englisch zur Berufsvorbereitung auf, dass bezüglich des Themas Berufe durchaus Stereotype aufgegriffen wurden: der Polizist und der Automechaniker stehen der Kellnerin und der Sekretärin gegenüber (S. 19). In einer anderen Aufgabe soll beschrieben werden, was die beiden Freundinnen Zeynep und Melanie machen: sie tragen Makeup und Parfüm auf, probieren Kleidung und Schmuck an, kämmen sich die Haare und lesen in einer Zeitschrift (S.20). Ein Kapitel weiter geht es um „Friends and Problems“. Junge Menschen teilen in einer Zeitschrift ihre Probleme mit und bitten um Rat. Die ersten Worte von Harrys Problem lauten „I really think my girlfriend is great. She is pretty, we have the same interests and I love her very much …“ (S. 23), wodurch der Eindruck erweckt wird, dass die Schönheit der Freunding wichtiger ist als die gemeinsamen Interessen. Nicola träumt zwar davon, Automechanikerin zu werden, was zunächst einmal entgegen dem Klischee ist. Durch den Satz „I want to be a car mechanic. I’m not trying to be different but I really love cars!“ wird jedoch die Sonderstellung von einer Frau, die Mechanikerin ist herausgehoben und eher den Anschein erweckt, als müsse sie es zunächst begründen, dass sie überhaupt diesen Wunsch hat.

Generell besteht im Buch ein heteronormatives Narrativ, eine Perspektive, die queere oder gender-nonconforming ist, wird nicht gezeigt.

 

Quellen:

Quellen

King, Rosemary/ Rosenkranz, Wolfgang/ Vernon, Jane (1999): Cool! Englisch zur Berufsvorbereitung. Lehr-/ Arbeitsbuch. Stuttgart: Ernst Klett Verlag

Mischau Ania/ Eilerts, Katja (2018): Modellieren im Mathematikunterricht gendersensibel gestalten. In: Eilterts, K./ Skutella, K. (Hrsg): Neue Materialien für einen realitätsbezogenen Mathematikunterricht 5, Realitätsbezüge im Mathematikunterricht, DOI 10.1007/978-3-658-21042-7_10

Ott, Christine (2021): Doing und Undoing Gender in zeitgenössischen Bildungsmedien. Eine Forschungsschau zu Schulbesuchstudien von 2010 bis 2019.  In: v. Dall’Armi, J., Schurt, V. (eds) Von der Vielheit der Geschlechter. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32251-9_13


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